17.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zwei Ehemänner und
fünf Kinder verloren

Theresia Schmidt blickt auf 100 Lebensjahre zurück


Gütersloh-Isselhorst (WB). Das hundertste Lebensjahr vollendet am heutigen Montag die Isselhorsterin Theresia Schmidt, die am Pastorengarten 31 zu Hause ist. Geboren wurde die Jubilarin in einem deutschen Dorf an der Wolga in Russland. Dort begann eine von vielen Schicksalsschlägen geprägte Lebensgeschichte.
Ihre Vorfahren kamen aus Deutschland. 1941 vertrieb Stalin die deutschstämmige Bevölkerung und verschleppte sie nach Sibirien. Theresia Schmidt klagt heute noch darüber, dass sie die reifen Früchte der Felder verlassen musste.
Es folgte ein Leben mit vielen harten Einschnitten: Ihr Mann starb früh - ebenso wie ihre drei kleinen Kinder. In Sibirien heiratete sie zum zweiten Mal. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor. Die Jubilarin konnte sich um sie allerdings nicht selbst kümmern, da sie in der Arbeitsarmee hart arbeiten musste. Die tägliche Trennung von ihrem Nachwuchs war ihr ein großer Kummer. Hunger, Kälte und mangelhafte Bekleidung machten ihr das Leben außerdem schwer.
Nach 17 Jahren, 1958, wurden die Deutschstämmigen durch eine Amnestie aus den Arbeitslagern entlassen und in Kasastan angesiedelt. Doch auch dort war das Leben nur schwer zu ertragen. Die einheimische Bevölkerung grenzte die neuen Bewohner aus. Sie durften nur am Rande des Dorfes wohnen, eine Kirche war nicht erlaubt. So fanden die Gottesdienste in kleinen Häuschen statt. Der Glaube an Gott, der ihnen in ihrer Bedrängnis geholfen hat, war groß und hielt die Gemeinde fest zusammen.
Theresia Schmidt blieb von weiteren Rückschlägen nicht verschont: Sie verlor ihren zweiten Mann und ihren Sohn. Mit ihrer kranken Tochter und vier Enkelkindern kam sie 1991 nach Isselhorst. Hier wurde sie von Helfern des Roten Kreuzes auf- und angenommen. Ihre Tochter starb bald in Deutschland. Geblieben sind ihr die vier Enkelkinder, neun Urenkel und viele neue Freunde in ihrer neuen Heimat Isselhorst.
Theresia Schmidt lebt mit 100 Jahren noch selbstständig in ihrer Wohnung. Sie wird morgens von einer Schwester unterstützt, und jeden Nachmittag besucht sie den »Seniorenhof«, eine Betreuungsstätte des Deutschen Roten Kreuzes.

Artikel vom 17.10.2005