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Der Spielplatz als »Psycho-Couch«

»Mütter« (und Söhne) wurden vom Publikum zu Zugaben »gezwungen«

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Die Nase ist geputzt, die Mütze ordentlich über die Ohren gezogen, Eimerchen und Schäufelchen verteilt, die lieben Kleinen beschäftigt. Jetzt können die Mütter ihre Reviere abstecken auf dem Kinderspielplatz, dem Ort ihres (erzwungenen) Aufenthaltes.

Als dritter Liederabend von Frank Wittenbrink nach »Männer« und »Sekretärinnen« hatte »Mütter« in der Rudolf-Oetker-Halle Premiere. Und das Publikum war erneut begeistert. Die zehn Darsteller - Mütter und Söhne - wurden nicht ohne Zugaben von der Bühne gelassen. 38 Lieder von »Born to be wild« von Steppenwolf bis »Mein Freund, der Baum« von Alexandra umrissen Lebensgeschichten und Konflikte, beschrieben Mutter-Sohn-Verhältnisse und (verflossene) Lieben. So konnten Mütter und Söhne ihre Talente aufblitzen lassen: Carolin Soyka als grausam ausstaffierte Schlampe, die allerdings ihren kleinen Sohn Helmuth Westhausser (im wirklichen Leben 65) herzlich liebt und umsorgt, Bettina Meske als »Übermutter«, die immer ein Bilderbuch, ein Leberwurstbrot und ein Pflaster, aber auch die eine oder andere Kopfnuss für ihren Sohn in petto hat, Silvia Vicinelli, esoterisch angehaucht, Strickzeug, immer zum Friedensschluss mit dem Filius (und den Banknachbarinnen vom Spielplatz) bereit und Frederike Haas, die als taffe Businessfrau Laptop und Handy mehr liebt als den Nachwuchs. Und da sind noch die Schwangere (Cornelie Isenbürger), die die Frauen mit Elfriede Jelinek-Texten verstört und die Großmutter, von Monika Mayer als Motorrad-Braut gespielt, die den lieben Kleinen gern verstörende Grimm-Geschichten erzählt. Und alle können singen. Mal anrührend, mal romantisch, mal laut und rockig. Die Söhne (Helmuth Westhausser, Jörn-Udo Kortmann, Thomas Winter, Sascha von Zambelly) ebenfalls. Da sind Sehnsüchte und Träume (in denen ruhig auch mal ein paar knackige Bauarbeiter vorkommen dürfen), Ängste und Hoffnungen. Aber alle könnten mit einstimmen, wenn Carolin Soyka schmettert: »I will survive!«
Unter der Regie von Matthias Kniesbeck hat Monika Gora die Kostüme den nötigen Hauch überzeichnet, die Band unter Leitung von Bill Murta trat wohl zum ersten Mal im Blaumann auf.
Und wenn die lieben Kleinen sich gegenseitig genug gequält haben (»Vertragt euch!«), allgemein mitgeteilt haben, wie ihr Weltbild aussieht (»Mädchen sind doof!«), dann packen die Mütter, die eigentlich doch gern Freundinnen wären, ihre Siebensachen zusammen und kehren zurück in ihr Alltagsleben. Bis morgen, auf dem Spielplatz. Vielleicht.
Nächste Vorstellungen: 22. und 29. Oktober.

Artikel vom 17.10.2005