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Grüne öffnen sich
für neue Bündnisse

Bundesparteitag besiegelt den Gang in die Opposition

Oldenburg (Reuters). Die Grünen wollen sich nach der Abwahl von Rot-Grün verstärkt für neue Bündnisse öffnen, um ihre Chancen für eine Regierungsbeteiligung zu wahren.
Vier Wochen nach der Bundestagswahl besiegelte am Samstag ein Bundesparteitag in Oldenburg den Gang in die Opposition. »Wir brauchen einen Neustart für die Option Grün«, rief Parteichef Reinhard Bütikofer die 700 Delegierten auf. Die Grünen müssten um Mehrheiten für ihre Inhalte kämpfen und könnten dabei nicht allein auf Rot-Grün setzen. Fraktionschefin Renate Künast kündigte eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der großen Koalition im Bundestag an: »Keine Kontaktanzeige, sondern harte Opposition.«
Personalentscheidungen fielen nicht. Allerdings nahmen die Delegierten mit Beifall Abschied von ihrer langjährigen Leitfigur Joschka Fischer, der dem Parteitag nach seinem Rückzug aus der Führungsriege fernblieb. Ko-Parteichefin Claudia Roth bekräftigte die Absage an weitere Gespräche über ein Bündnis mit Union und FDP. Das Sondierungstreffen mit Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel habe aber zur Entdämonisierung der Grünen beigetragen. Der Berliner Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der als einziger Grüner ein Direktmandat errungen hatte, warb unter großem Beifall eines Teils der Delegierten für eine Linkskoalition.
Mit großer Mehrheit verabschiedete der Parteitag nach fünfstündiger Debatte einen Leitantrag des Vorstandes, wonach die Grünen auch andere Bündnisse als nur mit dem bisherigen Koalitionspartner SPD möglich machen wollen. In dem Antrag schließen die Grünen keine Variante aus, grenzen sich aber von der CDU ebenso ab wie von FDP und Linkspartei.
Bütikofer und Künast machten deutlich, dass es die größte programmatische Nähe derzeit mit der SPD gebe. »Wir haben mit der SPD mehr durchgesetzt als wir mit der CDU in der Vergangenheit je hätten diskutieren können«, sagte Künast. Unter Anspielung auf FDP-Chef Guido Westerwelle warf sie der CDU vor, diese habe sich »westerwellisiert«. Sie sehe daher mit der Union wenig Schnittmengen.
Auch Roth wies darauf hin, aus dem Fünf-Parteien-System könnten sich neue Möglichkeiten ergeben.
Nach dem bevorstehenden Regierungswechsel zu einer großen Koalition sind die Grünen erstmals seit 1989 weder im Bund noch in den Ländern an einer Regierung beteiligt. Bütikofer zufolge müssen sich künftige Koalitionspartner an grünen Inhalten messen lassen. Die Grünen müssten ihrerseits auf Menschen zugehen, für die sie bislang keine reale Wahlalternative gewesen seien. Sie wollten Ideenwerkstatt der Republik sein.
Als Themenschwerpunkte nannte er wie Roth die Energiepolitik, die Kinder- und Bildungspolitik, Veränderung des Sozialstaates sowie Integration und Gestaltung der multikulturellen Gesellschaft. Der Vorstoß in andere Wählerschichten dürfte den Grünen durch den Rückzug Fischers erschwert werden, der über zwei Jahrzehnte die Partei mitgeprägt hatte.
Fischer sei »ein Brückenkopf gewesen in viele gesellschaftliche Kreise und Milieus hinein, die wir als Grüne sonst nicht erreicht hätten«, sagte Bütikofer. Zum Parteitag der Grünen habe Fischer nicht kommen wollen. »Vielleicht hatte er Angst, dass es rührselig wird.«
Parteichef Reinhard Bütikofer verwies auf die rechnerische linke Mehrheit von SPD, Linkspartei und Grünen im Bundestag. Aber die Linkspartei verharre in populistischer und inhaltlicher Reformverweigerung. Daher gebe es keine inhaltliche Übereinstimmung. Die Union sei nach der Wahl von manchen ihrer Forderungen abgerückt, habe sich im Bereich der Ökologie aber nicht geändert. Kommentar

Artikel vom 17.10.2005