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»In Reih und Glied« mussten die Häuschen aufgestellt werden, alles war von der Stadt genau vorgeschrieben und reglementiert. Sogar die Anzahl der Bäume und Sträucher.

»Selbst Gezogenes ist unübertrefflich«

Kleingärtnerverein »Am Waldwinkel« in Sennestadt feiert 25-jähriges Vereinsjubiläum

Sennestadt (ho). Ursprünglich war es eine landwirtschaftlich genutzte Fläche. Später nutzten die Bogenschützen die ehemalige Flur »Langes Feld« als ihr Übungsterrain, seit 1980 ist dort der Kleingärtnerverein »Am Waldwinkel« zu Hause. Und der feiert unter Führung seines langjährigen Vorsitzenden Klaus Dresbeimdieke sein Vereinsjubiläum am 29. Oktober mit vielen Gästen und Ehrengästen im Bürgertreff des Sennestadthauses.

Hannspeter Seick (69), Gründungsmitglied und Schriftführer des Vereins, erinnert sich noch gut an die Anfänge. »Da war eine große, kahle Fläche, doch die Nachfrage war riesig«. Die ursprünglich vorgesehenen Parzellen mit etwa 300 Quadratmetern Fläche waren im Nu vergeben, da immer mehr Sennestädter ein eigenes Fleckchen Erde »im Grünen« haben wollten. 1988 wurde die Anlage um 30 Parzellen erweitert.
Vorbereitungen für die Erstellung einer Kleingartenanlage auf einem Pachtgelände am »Senner Hellweg« in Sennestadt wurden schon lange Zeit vor der Vereinsgründung getroffen. So konnten sich alle an einer Parzelle interessierten Bürgerinnen und Bürger nach einer ersten Ankündigung in der Tageszeitung im November 1978 bei der Bezirksverwaltung melden. Doch erst am 31. Oktober 1980, nach Klärung wesentlicher Fragen, kam es zur Gründung des Vereins »Am Waldwinkel«, dessen erster Vorsitzender Friedhelm Donath wurde.
»Das Interesse war zwar riesengroß, doch viele haben einen Rückzieher gemacht, als sie von den finanziellen Verpflichtungen und von der mit einem Kleingarten verbundenen Arbeit hörten«, sagt Hannspeter Seick. »Immerhin zehntausend bis fünfzehntausend Mark mussten auf den Tisch geblättert werden. Dazu kam die Pacht«. Hannspeter Seick selbst musste damals von Ehefrau Rosemarie und seinem jüngsten Sohn Carsten überzeugt werden. »Als technischer Angestellter hatte ich überhaupt keinen Bezug zur Gartenarbeit. Das hat sich aber schnell geändert«.
Heute ist er stolz auf sein gepflegtes Grundstück und das Häuschen, das immer wieder sein Gesicht veränderte. »Wir hatten damals Glück, dass es eine Leitung für Frischwasser gab, Strom haben wir uns aus aufgestellten Notstromaggregaten geholt«. Allein die Abwässer sind ein Problem bis heute. »Wir haben alle eine Chemietoilette«.
Geärgert hat den mittlerweile passionierten Gartenfreund die strenge Reglementierung, die mit dem Bau der Häuschen verbunden war. »Die mussten alle in Reih und Glied stehen, Firsthöhe und Dachneigung wurden vorgegeben, keines durfte mehr als 25 Quadratmeter umbauten Raum haben und auch die Anzahl von Bäumen und Sträuchern war geregelt«.
»Maximal vier Bäume durften wir anpflanzen und deren Höhe war auf exakt 3,35 Meter begrenzt. Das sagen Sie mal der Natur«, wurmt die Vorschrift Hannspeter Seick. »Wir mussten die Bäume immer wieder zurückschneiden und das ist denen gar nicht gut bekommen«.
Auch für die Nutzung gibt es Vorschriften. Ein Drittel Gebäude- und Wegfläche, ein Drittel Zierfläche und das restliche Drittel gilt als Anbaufläche. »Und da haben wir alles Mögliche angepflanzt, Tomaten, Kartoffeln und Gemüse. Der Geschmack von selbst Gezogenem ist einfach unübertrefflich«, freut sich Hannspeter Seick in jedem Jahr über die reiche Ernte.
Die idyllisch gelegene Anlage kann sich sehen lassen. Mühe und Fleiß der Kleingärtner wurden 1984 sogar mit einem dritten Preis im ersten Landeswettbewerb »Gärten im Städtebau« belohnt. Vorstand und Verein schätzen sich glücklich, dass es trotz häufiger Besitzerwechsel nie zu Leerständen kam. Zwar haben die »Waldwinkler« Generationen von Kindern auf ihren Grundstücke aufwachsen sehen, doch nur wenige sind in die Fußstapfen der Eltern getreten und haben die Parzellen übernommen.
In den 25 Jahren seines Bestehens ist der Kleingärtnerverein Am Waldwinkel dank seines Engagements in und für Sennestadt zu einem nicht wegzudenkenden Bestandteil dieses Stadtbezirks geworden. Die Mitglieder des Vereins beteiligen sich regelmäßig am Weihnachtsmarkt und an weiteren Stadtteilfesten, wie kürzlich der Feier anlässlich »50 Jahre Sennestadt«. Zur Wendezeit 1989/90 bauten die »Waldwinkler« zudem freundschaftliche Kontakte zu einem nahe Magdeburg gelegenen Kleingartenverein auf, um ihn in Fragen der Anpassung an die westdeutsche Gesetzeslage zu beraten und zu unterstützen.
Einen Zukunftswunsch hat der Schriftführer des Kleingärtnervereins, der im Bezirksverband der Kleingärtner »Bielefeld und Gütersloh« organisiert ist, an zuständige Behörden: »Man sollte von der Regelungswut abkommen und ein wenig moderater mit den Kleingärtnern umgehen«.

Artikel vom 22.10.2005