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Musikberuf ist nichts für Schöngeister

Uni Paderborn: Hochschulen bereiten nur mangelhaft auf den harten Arbeitsmarkt vor

Von Dietmar Kemper
Paderborn (WB). Wenn Musiker die Hochschulen verlassen, bekommen sie einen Praxisschock. Die fachliche Ausbildung ist gut, die Vorbereitung aufs Berufsleben dagegen mangelhaft.

Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Begabungsforschung in der Musik an der Universität Paderborn bei seinem Absolventen-Projekt. Dabei wurden gut 2000 ehemalige Studenten an sieben Hochschulen, darunter Detmold, nach ihren Erfahrungen befragt. 659 antworteten. »Die Ausbildung wird als gut oder sehr gut beurteilt, die Vorbereitung auf den Alltag als unbefriedigend«, fasste Institutsleiter Heiner Gembris den Tenor zusammen. Hochschulen müssten mehr über die Strukturen auf dem Arbeitsmarkt informieren, unternehmerische Kompetenz vermitteln und zum Beispiel erklären, worauf es beim Abschluss von Verträgen ankommt, sagte Gembris.
Die Arbeitsbedingungen für Instrumentalisten und Sänger haben sich verschlechtert. Feste Stellen gibt es immer weniger, zudem bekommen deutsche Absolventen zunehmend Konkurrenz durch hochqualifizierte Musiker aus Osteuropa. Mit ihrer Fixierung auf hochbezahlte Stars zeichneten die Medien ein Zerrbild, kritisiert Gembris. Zwar verdienten studierte Musiker zu 80 Prozent ihr Geld mit Musik, aber dafür müssten sie stilistisch vielseitig und flexibel sein.
Der Wissenschaftler: »Der geringere Teil kommt in Orchestern unter und hat feste Arbeitsplätze. Musiker müssen mit befristeten Verträgen leben, mehrere Teilzeittätigkeiten miteinander verbinden und mehr Eigeninitiative entwickeln als früher.« Durch eine breite Ausbildung verbessere ein Musiker seine Einstellungschancen - etwa dann, wenn er sowohl in klassischer Musik als auch in Jazz und Rock einsetzbar ist. »Pianisten sind besonders häufig ohne Stelle«, weiß Gembris. Das ändere sich aber, wenn der Musiker noch andere Tasteninstrumente wie das Keyboard beherrsche.
In Deutschland gibt es 135 Sinfonieorchester. Nach Angaben des Deutschen Musikinformationszentrums (MIZ) in Bonn nahmen die Hochschulen und Universitäten im Jahr 2003 insgesamt 3938 Prüfungen ab. Ende 2004 waren 1939 Instrumental- und Orchestermusiker, Komponisten, Dirigenten und Chorleiter arbeitslos gemeldet. Die Ergebnisse ihres Projekts haben Heiner Gembris und seine Mitarbeiterin Daina Langner in dem Buch »Von der Musikhochschule auf den Arbeitsmarkt. Erfahrungen von Absolventen, Arbeitsmarktexperten und Hochschullehrern« (Wissner Verlag Augsburg) ver-öffentlicht.Ê

Artikel vom 15.10.2005