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»Achtes Weltwunder« oder »Fressen für Mafia«

Brücke über die Meerenge von Kalabrien nach Sizilien wird gebaut - 2012 soll der Verkehr rollen

Rom (dpa). Schon die alten Römer träumten von einer Brücke nach Sizilien. Dann wollte Diktator Mussolini die Sache angehen.
Eine Hängebrücke soll die Straße von Messina überspannen.

Mehrere italienische Nachkriegsregierungen sind an dem Mega-Projekt gescheitert. Jetzt soll die längste Hängebrücke der Welt tatsächlich gebaut werden: fast vier Kilometer lang, etwa Milliarden Euro teuer - daneben wirkt die Golden-Gate-Brücke geradezu bescheiden. Trotz massiver Kritik ist jetzt offiziell der Bauauftrag ergangen - Skeptiker fürchten vor allem ein »großes Fressen« für die Mafia.
»Das achte Weltwunder«, nennen Befürworter die »Ponte sullo Stretto«, die Brücke über der Meeresenge von Kalabrien nach Sizilien. »Sizilien ist keine Insel mehr.« Dagegen sprechen Skeptiker von einer gigantischen Geldverschwendung: Statt sich auf das Prestige-Projekt zu konzentrieren, solle man lieber die marode Infrastruktur im Mezzogiorno verbessern. Der Verdacht geht um: Ministerpräsident Silvio Berlusconi wolle sich vor allem ein Denkmal setzen.
»Im nächsten Jahr wird der erste Spatenstich gemacht«, jubelt Verkehrsminister Pietro Lunardi. Auch die Bauzeit soll zum Rekord werden: Lediglich fünf Jahre und zehn Monate soll es dauern. Im Jahr 2012 soll der Verkehr rollen.
Zwar dauert die Überfahrt auf den sechs Autospuren und den beiden Eisenbahngleisen künftig nur noch ein paar Minuten. Aber jenseits der Brücke geht es dann auf maroden Straßen und Schienen weiter. »Die Züge auf Sizilien fahren im Durchschnitt lediglich 24 Stundenkilometer schnell, nur die Hälfte des Netzes ist elektrifiziert«, monieren Kritiker.
Noch schwerer wiegen andere Bedenken. Die Staatsanwaltschaft spricht in einem Dossier von »Versuchen der Infiltration durch mafiöse Organisationen«. Immer wieder heißt es, die Mafia habe schon in der Vergangenheit bei EU-Hilfen kräftig abkassiert.
Der Bau soll 40 000 Jobs schaffen. Der Staat beharrt darauf, das Ganze koste ihn keinen Pfennig, alles werde privat finanziert. Daher fällt auch die Maut später ziemlich saftig aus: 9,50 bis 16 Euro kostet die Hin- und Rückfahrt mit dem Auto.
Die Spannweite der Brücke beträgt 3300 Meter, die der Akashi-Kaikyo-Brücke in Japan, die bisher weltweit längste Hängebrücke, lediglich 1990 Meter. Die Brückenpfeiler sind 382 Meter hoch - höher als der Eiffelturm.
Techniker versprechen, sogar Erdbeben von der Stärke 7,1 auf der Richterskala sollen dem Wunderwerk nichts anhaben können.

Artikel vom 15.10.2005