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Machen
wir uns an
die Arbeit!

Schwachpunkte beseitigen

Von Lena Strothmann
Als Großkonzerne wie Siemens oder Daimler-Chrysler Ende September mitteilten, Tausende von Stellen in Deutschland streichen zu wollen, war die öffentliche Reaktion erstaunlich ruhig. Dabei ist doch der Hinweis darauf, dass dies nach Möglichkeit sozialverträglich geschehe, bei fast 4,7 Millionen registrierten Arbeitslosen keine beruhigende Aussicht. Erfreulicher ist es da noch, wenn es etwa Volkswagen gelingt, die Produktion eines neuen Modells mit betrieblichen Absprachen und Zugeständnissen der Belegschaft in Deutschland zu halten.

All diese Szenarien zeigen: Der Produktionsstandort Deutschland ist erheblich unter Druck geraten, weil neue Konkurrenten - gemeint sind Unternehmen und ganze Volkswirtschaften - mit ihren Produkten und Dienstleistungen besser geworden sind und den internationalen Wettbewerb erheblich verschärfen. Gleichzeitig wissen die Beschäftigten hierzulande längst, dass wir nicht auf einer Insel der Glückseligen leben und dass Kompromisse zwischen Unternehmensleitungen und Mitarbeitern Arbeitsplätze in Deutschland sichern helfen. Wolfsburg ist bei weitem kein Einzelfall mehr. Dass immer wieder die Großunternehmen mit Schreckensmeldungen den Abbau oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen ankündigen, trügt darüber hinweg, dass das auch im Mittelstand geschieht. Aber es passiert dort leise, weil darüber weniger berichtet wird.
Überhaupt ist die Dimension des hiesigen Mittelstands nicht allen klar: 99,7 Prozent aller Unternehmen in Deutschland gehören zum Mittelstand. Sie bieten 69,7 Prozent der Arbeitsplätze an und stellen 80 Prozent der Ausbildungsplätze bereit. Zwischen 1990 und 1995 schufen mittelständische Unternehmer knapp eine Million neue Stellen, wobei der Dienstleistungssektor sich besonders hervortat. In diesem Zeitraum gab es in Großunternehmen einen Abbau von rund 750 000 Arbeitsplätzen. Zum besonderen Stellenwert kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland hat im wesentlichen auch das deutsche Handwerk beigetragen. Ende 2004 arbeiteten in rund 890 000 Betrieben des Handwerks 4,96ÊMillionen Menschen, fast 490 000 Lehrlinge erhielten dort eine qualifizierte Ausbildung. Damit warenÊ12,8 Prozent aller Erwerbstätigen und rund 31 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland im Handwerk tätig.
Dennoch verzeichnen weite Teile des Mittelstands wie das Handwerk, die hauptsächlich von der Binnenkonjunktur und der Konsumnachfrage hierzulande abhängig sind, seit fünf Jahren in Folge einen Rückgang bei Umsatz und Beschäftigung. Stagnierender Konsum, schwache Ausrüstungsinvestitionen und geringer Staatskonsum ließen bisher einen Aufschwung noch nicht zu, im Gegensatz zum exportgetriebenen Mittelstand, der von der boomenden Weltkonjunktur profitiert.
Welche Reformen braucht also die Exportnation Deutschland, in der die Ausfuhren zwar Jahr für Jahr steigen, die Binnenkonjunktur aber seit fünf Jahren stagniert? Unstrittig ist, dass Deutschland nur durch hohe Bildung und Qualifikation des Einzelnen, durch technologischen Fortschritt und Innovationen sowie durch mehr Flexibilität auf den Arbeitsmärkten wieder den Anschluss in Europa und der Welt finden kann.
Eine aktuelle Befragung des Weltwirtschaftsforum gibt den Fingerzeig: Danach bekommt Deutschland gute Noten für Forschung und Entwicklung, die Zusammenarbeit zwischen akademischen Einrichtungen und Unternehmen sowie den Gesetzesrahmen für die Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Innovationsfähigkeit des Landes, gemessen an den Patentanmeldungen, gilt ebenfalls als gut entwickelt.
Als ernstzunehmende Schwachpunkte nennen die meisten befragten Führungskräfte die fehlende Flexibilität des Arbeitsmarkts, die Ineffizienz des Steuersystems und die Höhe der Abgabenbelastung sowie den starken Grad an Bürokratie. Dem ist nichts hinzuzufügen! Machen wir uns also an die Arbeit, stärken wir unsere Stärken und beheben wir unsere Defizite. Jeder ist eingeladen, mitzutun - denn der Staat schafft keine Arbeit, er kann in der Sozialen Marktwirtschaft nur den notwendigen Rahmen setzen. Nur unternehmerische Selbständigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bedeuten auch in Zukunft für die Mehrzahl ihrer Bürger tägliches Einkommen und gesellschaftliche Teilhabe. Staatliche Reformen kombiniert mit privater Eigeninitiative, das ist die Voraussetzung für wirtschaftlichen Aufschwung und neue Arbeitsplätze.

Artikel vom 22.10.2005