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Vogelgrippe: kein Anlass
zur Panik

Menschen sind nicht gefährdet

Von Wolfgang Schäffer
Berlin (WB). Selbst wenn die Vogelgrippe tatsächlich nach Deutschland kommen sollte - »Menschen sind bei uns nicht gefährdet.« Das betonte am Freitag Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert Koch Instituts (RKI) in Berlin.

Bei ihrer Einschätzung verweist die Biologin auf die Situation in Asien. Ungezählte Tiere seien hier an der Vogelgrippe erkrankt, Millionen Stück Federvieh vorsorglich getötet worden. Im Verhältnis dazu seien die wenigen 100 Erkrankungen und etwa 60 Todesopfer bei Menschen, die allesamt ganz engen Kontakt mit den Tieren hatten, »relativ wenig«. Allein in Deutschland sterben jährlich bei einer Grippe-Epidemie um die 10000 Erkrankte - meist ältere Menschen. »Genau dieser Personenkreis sollte ebenso wie chronisch Kranke und medizinisches Personal nach wie vor auch mit einer Schutzimpfung gegen die Grippe vorbeugen«, warnt Glasmacher davor, in Panik zu verfallen. Jetzt vorsorglich ohne ärztlichen Rat Grippemittel zu horten oder gar zu schlucken, sei absolut unsinnig. »Vor der Vogelgrippe schützt eine Impfung nicht.«
Dessen ungeachtet bezeichnet die RKI-Sprecherin die Gefahr einer weltweiten Grippewelle (Pandemie) so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wenn ein völlig neuer Virus auftauche, den die menschliche Immunabwehr nicht kenne, sei dem nicht viel entgegen zu setzen. Dazu müsste sich ein komplett neuer Erreger aus der Verschmelzung von Vogel- und Menschengrippeviren bilden. »In einem solchen Fall dauert es, bis ein Impfstoff bereit steht«, macht die Expertin im Gespräch mit dieser Zeitung deutlich.
Dass trotz zahlreicher Warnungen am Freitag am Düsseldorfer Flughafen drei lebende Tauben im Handgepäck eines aus der Türkei einreisenden Passagiers gefunden wurden, macht Glasmacher fassungslos. Auch am Frankfurter Flughafen wurden Lebensmittel beschlagnahmt. »Zugvögel kann man an den Grenzen nicht stoppen. Menschen sollten aber so vernünftig sein, eine Gefährdung nicht unnötig zu provozieren.«
In der Türkei und Rumänien waren in den vergangenen Tagen Fälle von Vogelgrippe mit den gefährlichen Viren H5 oder H5N1 aufgetreten. Wegen des Verdachts auf eine Infektion mit der Vogelgrippe liegen in der Türkei neun Menschen im Krankenhaus.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht indessen davon aus, dass die Vogelgrippe Deutschland trifft. Die Wahrscheinlichkeit spreche dagegen, dass das Virus vor den Grenzen Halt mache, sagte Klaus Stöhr, Leiter des WHO-Influenza-Programms. Für Geflügelzüchter - allein im Kreis Gütersloh gibt es 1800 mit mehr als vier Millionen Tieren - sind diese Aussichten mehr als erschreckend.
Nach Ansicht des Centrums für Reisemedizin in Düsseldorf können Länder, in denen die Vogelgrippe ausgebrochen ist, ohne gesundheitliche Gefahren weiter besucht werden. Reisende sollte dort aber den Kontakt zu lebendem Federvieh und rohem Geflügel meiden. Seite 4: Hintergrund
www.rki.de
www.crm.de

Artikel vom 15.10.2005