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Merkel macht
Frauen in der
Wirtschaft Mut

2015 jeder fünfte Topmanager weiblich

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). »Frauen an die Macht«: Das ist seit dieser Woche kein Wunschtraum mehr. Angela Merkel wird erste Bundeskanzlerin Deutschlands. Strahlt die Politik auf die Wirtschaft aus und beflügelt die Karrierechancen von Frauen? »Auf jeden Fall«, sagt die Bielefelder Wirtschaftsprofessorin Ulrike Detmers und erklärt: »Merkel ist für viele Frauen, die nicht auf Verpackung achten, ein Vorbild.«
Wirtschaftsprofessorin Ulrike Detmers.
Unternehmerin Dagmar Nowitzki.

Noch sind Managerinnen so selten wie das Edelweiß. Bei den 30 größten börsennotierten Unternehmen gibt es zwei weibliche Vorstände: Christine Licci bei der HypoVereinsbank in München und Karin Dorrepaal beim Pharmakonzern Schering in Berlin. Ansonsten sind die Chefs in den 195 Ressorts bei den Dax-Unternehmen Männer.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ermittelte, dass es 2003 nur sieben Frauen bei den 180 größten deutschen Unternehmen ins Top-Management geschafft haben. Vergleichsweise gute Aufstiegschancen haben Frauen in Medien- und Familienunternehmen. So wie bei der Brauerei Strate in Detmold, die vom Familien-Trio Friederike, Monika und Simone geleitet wird.
Frauen seien auf dem Vormarsch, betont Ulrike Detmers, Professorin an der Fachhochschule Bielefeld und Initiatorin des Preises »Managerin des Jahres«, ausgelobt vom Brothersteller Mestemacher. Inzwischen sei jeder vierte Wirtschaftsstudent weiblich, die Qualifikationen von Frauen für eine Stelle in der Ökonomie überragten vielfach die von Männern. Frauen seien fest entschlossen, Karriere zu machen. Detmers: »Sie wollen ihre Anstrengungen für Aus- und Weiterbildung verzinsen und sich gegen Altersarmut absichern.« Die Professorin erwartet, dass der Anteil von Frauen in Spitzenpositionen in fünf bis zehn Jahren auf 20 Prozent steigt.
Norwegen hilft per Gesetz nach: Dort müssen bis 2007 mindestens 40 Prozent der wichtigsten Stellen in den börsennotierten Unternehmen weiblich besetzt sein. »Frauen sind nicht mit Sachbearbeiterposten zufrieden und möchten aufsteigen«, betont die Geschäftsführende Gesellschafterin des Versmolder Kronkorkenherstellers Brüninghausen, Dagmar Nowitzki.
Allerdings stehe der Karriere das »restriktive Arbeitsrecht« in Deutschland im Weg. Nowitzki: »Die dreijährige Erziehungszeit ist ein Einstellungs-, Aufstiegs- und Weiterbildungshandicap.« Chefs scheuten davor zurück, Frauen bis ganz nach oben zu fördern, wenn die nach der Geburt eines Kindes ausfallen.
Der Einzug Angela Merkels ins Kanzleramt werde eine neue Diskussion über Frauen an der Macht auslösen, konkret aber nichts ändern, glaubt Susanne Schäfer-Dieterle.
Solange es nicht als selbstverständlich angesehen werde, dass eine Frau Karriere machen und Kinder haben möchte, bleibe alles beim alten, meint die Vorsitzende des Marketingclubs OWL. Im Grunde könnten nur Gesetze wie das in Norwegen helfen, denn die Wirtschaft habe in der Vergangenheit das Thema Frauenquote in Spitzenpositionen erfolgreich abgeblockt. Angela Merkel habe »schon genug Kriegsschauplätze« und werde andere Schwerpunkte setzen. Mehr Frauen in den Top-Etagen täten der Wirtschaft gut, sagt die Präsidentin der Handwerkskammer OWL, Lena Strothmann. Männer seien machtorientiert, Frauen wollten, dass etwas vorankommt. Strothmann: »Gerhard Schröder war daran interessiert, Kanzler zu sein, Angela Merkel will dem Land dienen.«

Artikel vom 14.10.2005