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Der Mann für besondere Fälle
hat demnächst drei Aufgaben

Bald Vizekanzler und Arbeitsminister: SPD-Parteichef Franz Müntefering

Berlin (dpa). »Kanzler? - Das kann ich nicht.« Mit diesem Satz wehrte Franz Müntefering im März 2004 verschmitzt die Frage ab, ob er nach Übernahme des SPD-Parteivorsitzes von Gerhard Schröder nicht künftig auch dessen Amt als Bundeskanzler ausfüllen möchte. Jetzt wird Müntefering Vize-Kanzler - und soll dabei als Arbeitsminister den sozialdemokratischen Anteil in der großen Koalition deutlich herausstellen.

Denn nach dem Abschied Schröders als Kanzler ist Müntefering nun auch in der Außendarstellung der SPD mit Abstand die unangefochtene »Nummer 1« der Partei. Innerhalb der SPD war er dies schon lange. Mit 95,1 Prozent hatten ihn die Sozialdemokraten zu ihrem Vorsitzenden gewählt - das beste Ergebnis für einen SPD-Vorsitzenden seit 1991.
»Politik muss organisiert werden«, lautet ein Lieblingssatz des 65-Jährigen. Dabei spielt Müntefering schon seit längerem in der SPD den Feuerwehrmann für besondere Fälle. Als ihr Bundesgeschäftsführer gehörte er von 1995 bis 1998 zu den Mitbegründern des Wiedererstarkens der Sozialdemokraten und damit auch zu den Architekten des Wahlerfolges von Schröder.
Als es im ersten rot-grünen Regierungsjahr kräftig hakelte und die politischen Erfolge ausblieben, verließ Müntefering im September 1999 seinen Kabinettsposten als Verkehrs- und Bauminister und übernahm die erstmals geschaffene Funktion eines SPD-Generalsekretärs. Loyal zu Schröder meisterte Müntefering in den vergangenen Jahren manche gefährliche Krise in der Partei und hielt dem Kanzler beim Regieren immer wieder den Rücken frei. Nicht zuletzt Müntefering ist es zu verdanken, dass die SPD auch nach dem gescheiterten Mitgliederbegehren gegen Schröders Reform-Agenda 2010 weiter zusammenhielt.
Doch bei der Parteibasis ist Müntefering populär wie eh und je. Dass es nach dem SPD-Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen und nach der nicht unumstrittenen Neuwahl-Entscheidung im Mai 2005 keinen größeren Widerstand gab, ist auch Münteferings Autorität in der SPD-Fraktion zuzuschreiben, der er seit September 2002 vorsteht. Nicht wenige Abgeordnete führen bisweilen Klage über seinen recht autoritären Führungsstil. Dabei halten sie Müntefering aber zu Gute, dass er stets ein offenes Ohr auch für andere Meinungen habe. Aber irgendwann muss in der Fraktion entschieden werden - und wenn dies dann erfolgt ist, zähle nur noch Solidarität - lautet sein Credo.
Als sicher gilt, dass Müntefering auch nach einem Kabinettseintritt im November auf dem Parteitag in Karlsruhe erneut für den SPD-Vorsitz kandidieren wird. Ihm kommt die wichtige Rolle zu, den notwendigen Generationenwechsel in der SPD weiter voranzutreiben und zugleich das Profil der Sozialdemokraten gegen die mit der Bundestagswahl erstarkte neue Linkspartei zu schärfen. Nicht wenige beschreiben Münteferings Rolle dabei als eine der schwersten, die je ein SPD-Vorsitzender in der deutschen Nachkriegszeit hatte.
Müntefering politische Heimat ist der mächtige SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen, den er vor seinem Wechsel in die Bundespolitik viele Jahre führte. Der in Neheim-Hüsten geborenen Arbeitersohn und gelernte Industriekaufmann ist seit 1966 SPD-Mitglied. Müntefering ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.

Artikel vom 14.10.2005