14.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Vogelgrippe nicht »herbeifüttern«

Wildgänse aus dem Ural kommen - Auch Bielefelder können vorbeugen

Von Gerhard Hülsegge
Bielefeld (WB). Die Bielefelder Bevölkerung ist aufgerufen, Wassergeflügel auf den Teichen der Stadt nicht zu füttern. Andernfalls besteht die Gefahr, dass mit den Wildgänsen aus dem Ural bei ihrem Flug von Ost nach West zwischen dem 15. und 16. Oktober die gefürchtete Vogelgrippe auch am Teutoburger Wald ausbricht.

»Durch Brot etwa für die Enten würden die Gänse angelockt und auf ihrem Flug ins Winterquartier dann bei uns Zwischenstation machen«, warnt Tierärztin Dr. Maren Bock vom städtischen Gesundheits-, Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt vor falscher Tierliebe in diesen Tagen. Immerhin sind schon 60 Menschen in Asien an der so genannten »Vogelgrippe« gestorben. Die Europäische Union hat am Montag den Import von lebendem Geflügel aus der Türkei verboten. »Reisende sollten auch keine Geflügel-Produkte aus östlichen Ländern mitbringen«, forderte gestern Dr. Bock.
Zur Abwehr der Vogelgrippe - nur ein anderes Wort für die Geflügelpest - in Deutschland hat das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit verstärkte Kontrollen für Reisende verlangt. Die Bundesregierung hat einen Krisenstab gebildet. Gefährdet sind nach Auskunft des Berliner Robert-Koch-Instituts bisher aber »nur« Menschen, die engen Kontakt zu Geflügel haben.
Wie die rund 600 Geflügelzüchter mit ihren 3000 Tieren (Hühner, Tauben und Gänse) in Bielefeld. Allerdings warnt Wilfried Detering vor Panikmache. »Ich bin seit 60 Jahren Züchter und habe noch keine Wildgans in meinem Garten gesehen«, sagte der Vorsitzende des Stadtverbandes der Rassegeflügelzüchter gestern zum WESTFALEN-BLATT. Wenn der gefürchtete Virus eingeschleppt werde, dann von Personen, die mit Geflügel aus dem Ausland handelten. »Deshalb gehe ich auch nicht auf Hobbymärkte«, so Detering.
Das für ganz Nordrhein-Westfalen geltende Fütterungsverbot im Freien bereitet den heimischen Züchtern (wenige Landwirte und mehr Hobbyzüchter mit Kleinstbeständen) keine Probleme. Die Nahrungsaufnahme findet in der Regel sowieso im Stall statt. Auch ist die Geflügel-Westfalenschau vom 28. bis 30. Oktober in dem Räumen des Umweltbetriebs an der Eckendorfer Straße nicht gefährdet.
Nur in Niedersachsen und dem nordrein-westfälischen Petershagen (bei Minden) muss das Geflügel zurzeit eingesperrt bleiben. Wird die Vorsichtsmaßnahme ausgedehnt, hat aber auch die Stadt Bielefeld die Eilverordnung schon »in der Schublade«. Noch heißt die Devise aber »abwarten«. Denn »nicht jede Gans ist böse und gleich verdächtig«, betont Dr. Maren Bock. Auch die Graugänse aus dem Norden stellten keine Gefahr dar.
Nach dem 16. Oktober werden Stichproben genommen, jedenfalls bei Züchtern, die mehr als 100 Stück Federvieh besitzen. Zehn Hühner und 15 Gänse werden untersucht. Dr. Bock: »Dann gucken wir nach, ob Antikörper vorhanden sind, führen den Virusnachweis und suchen nach dem Antigen. Finden wir es, wird der gesamte Tierbestand auch im weiteren Umkreis getötet.«
Sollte darüber hinaus ein Mensch vom Virus (H5N1) angesteckt worden sein, werde die Krankheit wie eine Grippe durchlebt und mit antiviruellen Mitteln - einen speziellen Impfstoff gegen die Vogelgrippe gibt es noch nicht - bekämpft. Diese Mittel - allein zur Stärkung der Widerstandskraft - seien auch bei der Feuerwehr, der Polizei und dem Technischen Hilfswerk vorrätig und würden noch aufgestockt, hieß es. Dass die vorhandene Menge an Tamiflu (zum Einnehmen von Roche) oder Relenz (zum Inhallieren von Glaxo) bei einer Pandemie - Steigerungsform von Epidemie - für alle ausreicht, glaubt Kreis-Vertrauensapotheker Kersten Hartmann gleichwohl nicht.

Artikel vom 14.10.2005