22.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zu Gast bei Max Liebermann
Der Garten am Wannsee ist schon wieder ein kleines Paradies - Das Museum in der Villa wird im März 2006 eröffnet
Es darf schon geläutet werden. Auf dem Klingel-Schild steht: Wohnung Max Liebermann. Also dann, ein Knopfdruck, und hineinspaziert in die Villa und das Gartenparadies am Berliner Wannsee.
Denn das Grundstück an der Colomierstraße 3 ist inzwischen an den Wochenenden (11 bis 17 Uhr) ganzjährig geöffnet. Seit 2002 wird dort rekonstruiert und restauriert, gegraben und gesät. Und die erste »Ernte«, die haben sie bereits eingefahren. Die Grünanlagen sind fast fertig. Der nächste und letzte Schritt: Das Haus soll Ende März 2006 als Museum vorgestellt werden.
»Zu Gast bei Max Liebermann«, so lautet die freundliche Einladung der Gesellschaft, die sich 1995 gründete und die selbstverständlich den Namen des großen Malers trägt.
Diese Interessen-Gruppe zählt bereits mehr als 800 Mitglieder, die ehrenamtlich mit dafür sorgen, dass am Berliner Wannsee ein prächtiges »Denkmal« entsteht. Anke Stemmann, die Sprecherin der Gesellschaft, bedankt sich für die großzügige Unterstützung der Sponsoren. Unternehmen, eine Bank, staatliche Kulturstiftungen und private Spender tragen die Kosten von 2,8 Millionen Euro: »Ohne diese Finanzierungshilfe wäre das Projekt immer nur ein schöner Traum geblieben.«
Jetzt ist es an einem sonnigen Nachmittag da draußen vor den Toren der Hauptstadt traumhaft schön. Vor allem von der Terrasse der Villa, dem »Café Max«, auf der Kaffee und Kuchen angeboten werden, ist der Blick Richtung Wannsee unvergesslich. Ein Augenschmaus. Die blühende Blumenpracht, der angeblich »grünste« Rasen Berlins. In der Ferne ziehen ein paar weiße Wolken am strahlend blauen Himmel vorbei, wie die Segelboote auf dem Wasser.
Ein Bild - wie gemalt. So hat das Max Liebermann allerdings nicht sofort gesehen, als er 1909 sein »Schloss am See« bauen ließ. Die neue Wahlheimat war zunächst keine Mal-Heimat. Denn nach dem Einzug sah der Hausherr nicht alles rosarot: »Ich habe Zweifel, ob ich hier überhaupt arbeiten kann.«
Es dauerte tatsächlich bis 1914, erst dann stellte er die Staffelei in den großen Garten. Und hier sollten 200 Bilder entstehen, von denen viele zu den schönsten Werken des Künstlers zählen.
Das ihn so stimulierende Panorama wird jetzt in die Gegenwart zurück geholt. Die einmalige Perspektive für die Besucher: An einigen Stellen stehen Kopien, genau an den Plätzen, an denen Liebermann einst gesessen hatte, als er die Bilder malte. Die Birkenallee. Den Blick zum Wannsee. Die Blumenterrasse. Oder den Nutzgarten.
Das alte Original und die neue Wirklichkeit. Ein Meisterstück zu Ehren des Meisters, den sie in Berlin damals nur den »Maler-Fürsten« nannten.
Der Landschaftsarchitekt Reinald Eckert, der den Garten wieder aufblühen ließ, er kam sich dabei nicht selten wie ein Archäologe vor: Was war genau wo? Ganz perfekt konnte die Wiederherstellung des kleinen Paradieses draußen am Wannsee nicht werden, aber Eckert erntete viel Lob und durfte mit seinem Werk zufrieden sein: »Wir sind einer genauen Rekonstruktion sehr, sehr nahe gekommen.«
Selbstverständlich wurden nur die Blumen gepflanzt, die den Maler inspirierten. Liebermanns bunte Lieblinge: Astern und Dahlien, Rosen und Margeriten, Rittersporn und Sonnenkraut. Vor allem aber rote Geranien, die die Terrasse umranden.
Alles im »grünen Bereich«. Vor dem Villeneingang gibt es auch wieder ein kleines Gemüsebeet. Direkt neben dem Gartenhaus, das Liebermann eigentlich gar nicht so mochte. Er wollte es schon abreißen lassen. Und ausgerechnet diese Motive sollten dann zu den wundervollsten Werken des Künstlers gehören, die heute für ein paar Euro als Poster angeboten werden. Übrigens in genau diesem Gartenhaus, das zu einem kleinen Shop geworden ist.
Ein Schmuckstück auf einem großen Grundstück, das Liebermann so anlegen ließ: Nur gerade Wege, bitte. Genau der Gegensatz zu den oft geschwungenen Linien seiner Meister-Werke. Auch dabei hielten sich die Restauratoren, aber sicher doch, an die alten Vorgaben. Wenn die Haustüren geöffnet sind, kann man oben von der Colomierstraße bis hinunter zum Wannsee blicken.
Und schon in ein paar Monaten, Ende März 2006, stehen die Türen für interessierte Gäste sperrangelweit auf. Dann soll die Villa, die zum Museum wird, fertig sein. Draußen, über dem Eingang, haben sie bereits in Stein gemeißelt: Hier wohnte und wirkte Max Liebermann.
Eine Reise in die Vergangenheit. 20 bis 30 seiner Wannsee-Gemälde werden an den Wänden hängen, eine Dokumentation über den Maler und die Geschichte des Hauses runden die Ausstellung ab.
Denn die Villa an der Colomierstraße 3, sie hat eine bewegte Geschichte. Liebermanns Frau Martha wurde 1940 vom Nazi-Regime zum Verkauf an die Reichspost gezwungen. Es war dann ein Kriegs-Lazarett, diente bis 1969 als Krankenhaus und von 1972 bis 2002 als »Herberge« eines Tauchclubs.
1951 erhielt Liebermanns Tochter Käthe Haus und Grundstück zurück, die Erben verkauften die Immobilie 1958 an die Stadt Berlin. 1995 wurde die Villa unter Denkmalschutz gestellt, zwei Jahre später die museale Nutzung beschlossen.
Danach schlug die Stunde der Liebermann-Gesellschaft. Seit 2002 ist sie nun dabei, Villa und Garten wieder »lebendig« werden zu lassen. Eine Perle. Und die Augen des Meisters, sie würden sicher funkeln, wenn er von oben einen Blick auf das Grundstück werfen könnte: »Da ist es ja wieder: mein Schloss am See.« Klaus Lükewille

Artikel vom 22.10.2005