17.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Enttäuscht, aber nicht frustriert

Verlierer SC Paderborn 07 trifft nicht und zeigt trotzdem großen Fußball

Von Matthias Reichstein
Paderborn (WB). Enttäuscht fuhren sie noch Freitagnacht nach Hause, frustriert waren sie aber nicht. Warum auch? Der SC Paderborn hatte den Aufstiegsfavoriten TSV 1860 München in der Allianz Arena vorgeführt, war in allen Belangen die bessere Mannschaft, hatte leider nur eins schlicht »vergessen«: den Ball ins Tor zu befördern.

»Man bekommt nicht immer, was man verdient«, umschrieb Trainer Jos Luhukay leicht melancholisch eine Tatsache, die den Fußball zu dem gemacht hat, was er auch ist: Am Ende zählt nur das Ergebnis. Da stand beim TSV 1860 München eine 1, beim SC Paderborn 07 eine 0. Obwohl die 0 zu den Hausherren besser gepasst hätte. Keine einzige Torchance im zweiten Abschnitt, kein spielerischer Glanz und in allen drei Mannschaftsteilen dem SCP in keiner Phase des Spiels ebenbürtig - so präsentierten sich zahnlose Löwen, die nur einmal blitzschnell reagierten. Als Torben Hoffmann (18.) einen Eckball von Daniel Baier mit seinem Schädel zum »Tor des Abends« in die Maschen wuchtete, war Roel Brouwers ratlos und Luhukay machtlos. »Ich kam zu spät, Hoffmann war mein Gegenspieler«, meinte ein trauriger Brouwers, den sein Coach aber gleich wieder aufrichtete: »Die Ecke war so knallhart vors Tor gezogen, da konnte man nicht viel machen.«
Gegen das 0:1 wohl nicht, aber für den Ausgleich. Dafür taten die Paderborner viel, knüpften damit nahtlos an die herausragende Leistung vom vergangenen Heimsieg gegen die Offenbacher Kickers (4:1) an, nur etwas Zählbares wollte nicht herauskommen. »In Paderborn wären die Dinger rein gegangen. Da kennen wir den Ball, den Platz und das Umfeld«, suchte Marcel Ndjeng fast verzweifelt nach Erklärungen. Der Rechtsaußen vergab zwei der besten Chancen (44./55.), Benjamin Schüßler (32.), René Müller (51./89.) und Hüzeyfe Dogan (80.) hatten ebenfalls den Ausgleich auf dem Fuß.
Doch das Runde wollte nicht ins Eckige, deshalb blieb's beim 0:1. Die Chancenverwertung könnte man fahrlässig nennen, wenn man dem frechen Neuling nicht für sein engagiertes Spiel nach vorne eine eins geben müsste. Was Schiri-Assistentin Bibiana Steinhaus (Hannover) in der letzten Minute mit ihrer Fahne anzeigte, war dagegen schon eine Frechheit. Nach Zuspiel des eingewechselten Mehmet Dragusha auf Dogan wurde der frühere Leverkusener zurück gepfiffen. Doch Abseits war's nicht. Der Albaner merkte es schon bei seinem Abspiel (»Das hat man sofort im Gefühl«), da sah auch jeder im weiten Stadionrund, nur die einzige Dame auf dem Feld nicht. Aber darüber verliert Luhukay kein Wort: »Solche Fehlentscheidungen gleichen sich in einer Saison immer aus. Außerdem haben es die Schiris schon schwer genug.«
Das ist unbestritten, genauso wenig konnte die 0:1-Niederlage Zweifel am wahren Sieger des Spiels lassen. Der hieß ganz klar SC Paderborn. Zum ersten Mal in voller Länge live vom Pay-TV-Sender Premiere übertragen, machte der kleine Klub im Unterhaus beste Eigenwerbung. »Jetzt hat auch bundesweit jeden gesehen, dass wir kein Spielball in dieser Klasse sind«, zog Kapitän Müller dieses Fazit. Eine Meinung, mit der er nicht allein stand. Ober-Löwe und Präsident Karl Auer gab hinterher zu: »Der SC Paderborn war die erste Mannschaft, die uns deutlich überlegen war.« Nettes Kompliment, das aber eins ganz deutlich macht: Beim kleinen SCP wächst eine Mannschaft zusammen, die nach einem Lehrjahr in dieser Liga noch Großes vollbringen kann.

Artikel vom 17.10.2005