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»Geben und Nehmen ist das Prinzip«

Fachhochschule Lippe und Höxter: Transferpool zeigt Dienstleistungen der Professoren im Netz auf

Lemgo/Höxter (WB). »Das dynamische Wachstum unseres Unternehmens ist wesentlich mit dem Ingenieurnachwuchs aus der Fachhochschule Lippe und Höxter verbunden.« Klaus Eisert, Chef des im lippischen Blomberg ansässigen Industrie-Elektronik-Produzenten Phoenix Contact, kennt das Erfolgsrezept eines weltweit operierenden mittelständischen Unternehmens. »Mein besonderer Dank geht an die Professorenschaft.«

Eisert nennt Zahlen: Zwei von drei Ingenieuren in seinem Unternehmen haben entweder als Elektroingenieur, Maschinenbauer oder Produktionstechniker den Weg von der FH Lippe und Höxter nach Blomberg gefunden. Der viel zitierte Transfer von Wissen beginnt da, wo exzellent ausgebildete junge Nachwuchsingenieure ihre beruflichen Perspektiven in der Region suchen wollen. Und finden.
Fachhochschulen sind immer noch, anders als die Universitäten, konzeptionell und tatsächlich die Brückenbauer zwischen theoretischer Fein-Justierung und praktischem Anpacken. In Ostwestfalen-Lippe ist die FH Lippe und Höxter die größte Kaderschmiede in der angewandten Ingenieurausbildung. Die Kontakte zu Unternehmen und Verbänden sind entsprechend intensiv und gehen natürlich über das Produzieren von berufsorientierten Akademikern hinaus. Rektor Prof. Tilmann Fischer: »Durch die institutionelle Einbindung in Arbeitskreise, Vereine, Kuratorien und Beiräte ist die Hochschule an der Vorbereitung von vielfältigen Entscheidungsprozessen beteiligt. Zum Wohle der Region, um Zukunft auch technisch-wirtschaftlich zu gestalten.«
Die Aktionsfelder seien weit gesteckt, betont der Rektor, der exemplarisch auf die Bereiche Existenzgründung, Technologietransfer, Weiterbildung und duale Ausbildung hinweist. Letztere wurde in Ostwestfalen-Lippe von Lemgo aus initiiert: Die Hochschule bietet mit Partner-Betrieben der Region jungen Leuten zeitgleich ein Studium und eine berufliche Ausbildung an. Eine Doppelqualifikation in vergleichsweise kurzer Zeit.
Die Fachhochschule ist transfer-präsent: etwa als Mitglied in der Initiative für Beschäftigung e.V. oder im Verein Bio-Tech-Region OWL. Die Mitwirkung im Verein Pro Maschinenbau OWL beispielsweise habe, so Fischer, die Basis für die sehr gut angenommenen Weiterbildungsangebote des Fachbereichs Maschinentechnik gelegt. »Auch der Fachbereich Elektrotechnik macht mit, wenn es um professorale Weiterbildung abseits der originären Hochschulpflichten geht. Unsere Professoren wissen, dass von ihnen der ganz konkrete Dialog mit der Industrie erwartet wird. Einstellungsvoraussetzung der Professoren: mindestens fünfjährige berufliche Praxis, Bereitschaft zum Ausbau von Industriekontakten.«
Vier von fünf Diplomarbeiten an der FH werden in Kooperation mit Mittelständlern geschrieben. Kleinere und größere Probleme werden hier behoben. Idealerweise - leider nicht immer - wird der frisch examinierte Ingenieur ins Arbeitsverhältnis übernommen. Weil die Ingenieur-Absolventen der FH Lippe und Höxter nicht schmalspurig ausschließlich auf Technik getrimmt sind, sondern eine gehörige Portion Betriebswirtschaft in den Studienverlauf integriert wurde - inklusive Erweiterung der Sprachkenntnisse -, sind diese jungen Leute prädestiniert für eine internationale Tätigkeit. In Zeiten der Globalisierung eine Selbstverständlichkeit, mag man meinen. Doch längst nicht an allen deutschen Hochschulen ist dieser Wissensmix Standard.
Dass sich Transfererfolge der Hochschule herumsprechen und materielle Rückwirkungen zeitigen, erlebt die FH aufs Neue in diesen Tagen. Die Stiftung Standortsicherung des Kreises Lippe sponsert gemeinsam mit Unternehmen der Möbel- und Zulieferindustrie eine Stiftungsprofessur Holzbauproduktion, die zum 1. September besetzt wurde. Immerhin die dritte Stiftungsprofessur an der Fachhochschule Lippe und Höxter. Daneben hat die Stiftung Standortsicherung mit Hilfe der Fachhochschule eine Zustiftung der Firma Weidmüller (Detmold) eingeworben, die die Beschaffung eines UV-Lasers für das Labor für Laser- und Mikrotechnik im Fachbereich Produktion und Wirtschaft ermöglichte. Das bedeutet konkret: anwendungsorientiert Forschung mit Mittelständlern.
Nächstes Koop-Beispiel einer gelebten Partnerschaft: Für die Einrichtung des neuen Labors für Netzwerktechnik netLAB im Fachbereich Elektro- und Informationstechnik wurde eine namhafte Spende der Firma Phoenix Contact gemeinsam mit der Stiftung Standortsicherung eingeworben. Prof. Fischer: »Geben und nehmen ist das Prinzip. Der Wirtschaftsstandort profitiert.«
Und das kann er einfacher und problemloser als noch vor Jahren. Die Akteure - hier der Hochschulmann, dort der Mittelständler - finden übers Internet zusammen. Kontakte leicht gemacht: Hinter der Adresse »www.transfer-owl.de« verbirgt sich seit einiger Zeit ein Transferpool der beiden großen OWL-Fachhochschulen aus Bielefeld und Lippe/Höxter. Rund 200 Professorinnen und Professoren haben hier ihre Dienstleistungen ins Netz gestellt. Kompakt und übersichtlich präsentiert für jedermann, der Rat und Tat vor allem im Ingenieur- und Wirtschaftsbereich sucht. Ansprechpartner können direkt gefunden werden, ohne umständlich durch die Internetseite surfen zu müssen. Diese Plattform versteht sich als offenes Forum. Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff, Rektorin der FH Bielefeld: »Die enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Wissenschaft und Berufsfeld ist das Markenzeichen der Fachhochschulen und Voraussetzung für ihren Erfolg. Wir wollen mit diesem Forum einen neuen Weg beschreiten, unsere Aufgaben für den Wirtschaftsstandort OWL verantwortungsvoll zu übernehmen.« Unternehmen und Organisationen der Region könnten auf ein breites Spektrum von Beratungsleistungen, Ideen und Modellentwicklungen zurückgreifen, betont auch Prof. Fischer.
Mit dem Internet-Angebot wollen die Fachhochschulen noch stärker auf den von der Wirtschaft geäußerten Wunsch eingehen, das Potenzial der Fachhochschulen transparenter zu machen. Thomas Niehoff, Hauptgeschäftsführer der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, meinte anlässlich der Eröffnung von transfer-owl: »Es geht nicht um eine schlichte Auflistung von Lehrstühlen und Spezialdisziplinen, sondern um eine praxisnahe und damit mittelstandsgerechte Form der Präsentation, in der sich der interessierte Unternehmer schnell und mit den richtigen Informationen versorgen kann.« Er hob hervor, dass bei dem notwendigen Kraftakt hin zu mehr Innovation, Produktivität und Flexibilität gerade die verstärkte Zusammenarbeit mit dem Hochschulen ein ganz entscheidender Faktor sein kann. Nicht anders sehen das die hochschul-politisch Verantwortlichen an der Fachhochschule Lippe und Höxter.
www.fh-luh.de

Artikel vom 22.10.2005