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Besser statt billiger muss Deutschland sein

Reine Kostensparprogramme retten Unternehmen nicht -ÊDie Modernisierungsoffensive der IG Metall

Von Harry Domnik
Weniger Kündigungsschutz, länger arbeiten, niedrigere Löhne und betriebliche Bündnisse - so lauten die gängigen Antworten auf Unternehmenskrisen und schwächelndes Wirtschaftswachstum. Doch so einfach, wie sich manche Wirtschaftsexperten die Welt vorstellen, ist die Wirklichkeit nicht.

Reine Kostensparprogramme retten Unternehmen nicht. Über Lohnsenkungen können sich Betriebe im Wettbewerb nur Zeit kaufen. Aber wenn sie bei ihren Innovationen nichts tun, gewinnen sie gar nichts. Denn Arbeitsplätze werden nicht einfach dadurch sicherer, dass sie billiger werden.
Nur durch bessere Arbeit, bessere Innovation und bessere Bildung gibt es die deutsche Exportweltmeisterschaft. Nur mit der besseren Unternehmensführung ist dieser Vorsprung von Dauer. Unternehmer, die aus diesem Weg ausscheren, die unterlassen statt unternehmen; die es nur billig wollen, die machen es sich zu einfach.
Für »Billigmacher« gibt es immer noch einen Konkurrenten, der es noch billiger macht - hier oder woanders. Dieser Wettlauf ist nicht zu gewinnen. Deutschland ist Exportweltmeister, weil gute Arbeitskräfte gute Produkte und Dienstleistungen schaffen, nicht weil sie billiger sind.
»Unterlasser« dürfen keinen Bonus bekommen. Den gibt keine Bank, den kann keine Gewerkschaft geben und den darf auch die Politik nicht geben.
Arbeitsplätze sind mit vorübergehenden Tarifabweichungen nur dauerhaft zu sichern oder zu schaffen, wenn es die besseren Konzepte gibt, Gegenleistungen stimmen, Investitionszusagen kontrollierbar sind und Konkurrenten nicht gefährdet werden. Das ist der Maßstab, mit dem die IG Metall Verhandlungen dort aufnimmt, wo die Beschäftigten das wollen und die Unternehmen ihre Karten offen auf den Tisch lagen. Alles andere ist ein politischer Freibrief, eine Innovationsbremse, die sich unser Wirtschaftsstandort nicht leisten kann: Die schlechten Unternehmen würden belohnt und die guten bestraft.
Hier setzt die Modernisierungsoffensive »besser statt billiger« der IG Metall an. Es geht um die bessere Alternative. Arbeitslosigkeit ist nur mit den Unternehmen zu überwinden, die mit ihren Beschäftigten auf bessere Produkte, Prozesse und Marktzugänge setzen. »Besser statt billiger« ist aber eine Konfliktstrategie dort, wo Beschäftigte zum Verzicht erpresst werden. »Besser statt billiger« richtet sich gegen ein Klima, das Unternehmen ermutigt, ihr Geld bei den Beschäftigten statt durch Innovation und auf den Märkten zu holen.
Wir streiten für Politik, die Innovation fördert. Wir richten uns gegen Politik, die schlechtes Management auf Kosten der Belegschaften belohnen will. Unsere Tarifverträge schaffen betriebliche Spielräume für Innovation, aber nicht für Unterlasser.
Wachstum ist nicht allein eine Frage von Kosten. Ob ein Unternehmen Arbeitsplätze schafft, hängt eng mit der Innovationsfreudigkeit zusammen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss: Innovation und Wachstum haben verschiedene Gesichter. Betriebe können auch durch verbesserte Dienstleistungen oder Unternehmensprozesse wachsen. Bemerkenswert ist, dass Unternehmen auch durch Prozessinnovation - also durch Rationalisierungen - neue Arbeitsplätze schaffen. Die Studie zeigt, dass Unternehmen keineswegs auf allen Gebieten innovativ sein müssen, um zu wachsen: »Betriebe müssen vielmehr schauen, welche Innovation für sie die richtige ist.«
Unternehmen, die nach der richtigen Innovationsstrategie suchen, will die IG Metall mit ihrer Modernisierungsinitiative unterstützen. »Billiger-Strategien« verlängern das Siechtum eines Unternehmens meist nur. Die Modernisierungsoffensive richtet sich an Betriebsräte und Arbeitgeber, die es durch neue Konzepte beenden wollen. Sie lädt aber auch Betriebe ein, die besser werden wollen, um erst gar nicht in eine Krise zu geraten.
Mit der Offensive ignorieren wir nicht den realen Konkurrenzdruck, den es aus Mittel- und Osteuropa sowie China gibt. Wir greifen ihn auf. Unsere Erfolgsfaktoren sind Qualitätswettbewerb, Innovationsfähigkeit, Kompetenz der Beschäftigten, Tarifautonomie, Mitbestimmung sowie faire Wettbewerbsbedingungen. Nur so werden Arbeitsplätze in Deutschland sicherer.

Artikel vom 22.10.2005