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Einzelhandel zwischen Hoffen und Bangen

Sichere Rahmenbedingungen nötig: Unklare Verhältnisse sind Investitions- und Konsumbremse

Von Stefan Genth
Der Einzelhandel in Ostwestfalen-Lippe befindet sich unter Berücksichtigung der Konsumsituation zwischen Hoffen und Bangen, wenngleich es deutlich auch positive, leider aber auch negative Signale für die Zukunftsaussichten gibt. Deutschland hat zwar am 18. September 2005 gewählt, aber nicht entschieden. Der Einzelhandel und damit auch die Konsumentwicklung brauchen eine stabile Regierung mit ausreichender Mehrheit, denn unklare Verhältnisse sind eine Investition- und Konsumbremse aller ersten Ranges.

Der Einzelhandel hat das erste Halbjahr 2005 leider wiederum mit einem Umsatzverlust, diesmal von etwa ein Prozent, abgeschlossen.
Die Branche in Ostwestfalen-Lippe braucht sichere Rahmenbedingungen. Sich am Markt zu behaupten, wird für die Unternehmen immer schwerer, sowohl für die kleinen, als auch für die großen Handelsunternehmen. Dies zeigt unter anderem auch die letzte Konjunkturumfrage unseres Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels. Im Schwerpunkt wurden solide mittelständische Fachgeschäfte mit einem Jahresumsatz zwischen einer und zehn Millionen Euro befragt. 40 Prozent davon befinden sich in den Innenstädten. Aber auch von den großen, bundesweit tätigen Filialbetrieben haben wir repräsentative Antworten erhalten, so dass diese Umfrage ein genaues Bild von der deutschen Einzelhandelslandschaft gibt.
Das Ergebnis dieser Umfrage ist eindeutig: Der deutsche Einzelhandel bleibt ein krisengeschüttelter Wirtschaftszweig. Viele Betriebe kämpfen hart um das Überleben. Die große Mehrheit der Unternehmen beklagt, dass sich die Verbraucher bei ihren Einkäufen weiterhin zurückhalten. Darüber hinaus herrscht ein extrem intensiver Wettbewerb, der auf die Margen drückt und die Gewinne zusammenschmelzen lässt. Zwischen den einzelnen Branchen gibt es wenig bedeutende Unterschiede. Etwas entspannter als im Vorjahreszeitraum war es bei den Baumärkten, Möbelhändlern und vor allem bei Geschäften mit Unterhaltungselektronik im ersten Halbjahr 2005.
Dennoch: Für das zweite Halbjahr erwarten die Einzelhändler, auch in Ostwestfalen-Lippe, ein weniger schlechtes Ergebnis als für die ersten sechs Monate. Eine Prognose für das nächste Jahr ist an dieser Stelle sicherlich noch zu unwägbar. Aber anders als in den vergleichbaren Schwächephasen der vergangenen Jahre scheint die deutsche Wirtschaft dieses Mal in einer besseren Verfassung. Das liegt daran, dass im zweiten Quartal 2005 die Auftriebskräfte gewechselt haben. Der Export ist zwar ein starkes Standbein für die Produktion geblieben, trotz leicht geringerer Dynamik der Weltwirtschaft. Festzustellen ist aber auch, dass die deutschen Unternehmen wieder mehr im Inland investieren. Dies ist eine positive Nachricht. Positive Signale sind auch, dass die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr zurückgegangen ist und die Gewinne vieler Unternehmen gestiegen sind. Die Auftragslage hat sich zu Beginn des dritten Quartals deutlich verbessert, die Produktion hat angezogen. Damit hat die Verfassung, in der sich die Wirtschaft befindet, wieder an Substanz gewonnen. Eine Wachstumsbremse sind natürlich nach wie vor die gestiegenen Ölpreise und Preise der weiteren Energieträger.
Daher kommt die Verteuerung der Energiekosten für den privaten Verbrauch leider zum falschen Zeitpunkt. Jüngst hatte sich angedeutet, dass er aus seiner Starre erwachen und künftig einwenig mehr Leben ausstrahlen könnte. Eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung im August hatte erhellt, dass 31 Prozent der Bundesbürger bereit sind, ihre monatliche Ersparnis zugunsten des Konsums zu reduzieren. Nur fünf Prozent wollten künftig mehr sparen. Die privaten Konsumausgaben haben laut GfK nominal um 1,6 Prozent zugelegt, real waren es immerhin noch 0,5 Prozent.
Ist der Einzelhandel nun endlich im Aufwind? Diese Schlussfolgerung könnte man ziehen, wenn man auf die Veröffentlichung des statistischen Bundesamtes schaut. Das Amt hat dem deutschen Einzelhandel für das erst Halbjahr ein Umsatzplus von 1,4 Prozent zugemessen, wenngleich wir diese Zahlen leider nicht nachvollziehen können.
Wichtig für die Entwicklung des Konsums ist nach wie vor ein positives Klima, mehr Zutrauen beim Kunden und Verbraucher. Dass der Einzelhandel auch in Ostwestfalen-Lippe hierfür Erhebliches leistet, zeigt der Erfolg verschiedenster verkaufsoffener Sonntage und besonderer Veranstaltungen in der Region. Mit diesen attraktiven zusätzlichen Veranstaltungen scheint es möglich zu sein, dem Kunden und Verbraucher nicht nur anzusprechen, sondern ihn auch zum Einkaufen zu bewegen. Diese Sondereffekte, zu dem der Einzelhandel mit seiner Branchenvielfalt, seiner Serviceorientierung, seinem Fachpersonal und mit der Ausstrahlungskraft seiner speziellen individuellen Geschäfte beiträgt, sind natürlich nicht die Lösung der Zukunft. Dennoch wird der Einzelhandel gemeinsam mit den aktiven Werbegemeinschaften und Stadtmarketinggesellschaften vieles tun, um die Veranstaltungsvielfalt und damit auch die Attraktivität des Handels und der Innenstädte in Ostwestfalen-Lippe zu stärken und nach vorne zu bringen.
Ein erster gemeinsamer Erfahrungsaustausch der Werbegemeinschaften der 70 Kommunen aus Ostwestfalen-Lippe im September hat hierzu bereits auch erste weitere Ergebnisse erbracht. Es geht darum, gemeinsam den Standort Ostwestfalen-Lippe, trotz aller Konkurrenz- und Wettbewerbssituationen, zu stärken und zu fördern. Eine Idee ist beispielsweise, ein Netzwerk für Qualität und damit verbunden eine Serviceinitiative des Fachhandels Ostwestfalen-Lippes.
Deutlich erkennbar ist im Handel, ein Umschwenken des Konsumenten nicht mehr nur billige Produkte zu kaufen, sondern insbesondere bei der Auswahl seiner Einkäufe auch wieder mehr auf Qualität und Service und damit auf den Fachhandel zu setzen. Der Handel selbst hat vor den Hintergrund der allgemeinen Konsumsituation natürlich nach wie vor klare Forderungen und Ansprüche an die Politik. In einem Ranking der Forderungen an die neue Bundesregierung aus Sicht der Einzelhändler steht allen voran eine Vereinfachung des Steuerrechts, aber auch die Reduzierung der Unternehmensbelastungen, insbesondere für Personenunternehmen. Ebenso wichtig ist eine Flexibilisierung des Arbeitsrechtes und eine rasche und auch deutliche Reduzierung der Beitragsbelastung bei den Sozialabgaben.
Die Hoffnungen auf ein Aufholen des Konsums und auf Umsatzsteigerungen hängen in starkem Maße von der Branche und der Lage sowie der Standorte im einzelnen ab. Ostwestfalen-Lippe ist hier eine starke Einkaufsregion mit einem überproportional guten Branchenmix und insbesondere einer Vielfalt inhabergeführter, mittelständischer Fachgeschäfte.
Der Einzelhandel wird sich daher auch weiterhin dem Wettbewerb stellen und setzt hierbei vor allem darauf, dass mit klar nachvollziehbaren politischen Rahmenbedingungen wieder ein sicherer Rahmen für eine belebte Konjunktur und ein Vertrauen beim Kunden und Verbraucher möglich ist.

Artikel vom 22.10.2005