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Horror-Haus: Familie
der Verzweiflung nahe

Keller undicht, Giebelwand schief, Beton brüchig

Von Hubertus Hartmann
Bad Driburg (WB). Ein eigenes Häuschen - vor sieben Jahren aus Russland gekommen, wollten Irina Naumova (44) und Igor Boschkovsky (45) in Bad Driburg ihr Lebenswerk realisieren. Doch jetzt steht die Familie vor den Trümmern ihre Traums. Denn sie geriet an eine zweifelhafte Bauträgergesellschaft. Ihr Haus blieb ein Rohbau, und der müsste eigentlich abgerissen werden.
Igor Boschkovsky entfernt die schadhafte Isolierung des Kellergeschosses. Er will den Pfusch in Eigenarbeit reparieren.
Ende 2002 hatte das Bad Driburger Ehepaar einen Bauvertrag mit der Firma BBL Haus GmbH aus Halle an der Saale geschlossen. »Wir waren so voller Vertrauen«, sagt Irina Naumova, Ärztin in einer Driburger Klinik. Zum Festpreis von 136 000 Euro wollte BBL den Neubau errichten. Bereits im Januar 2003 machten sich die Arbeiter ans Werk. Aber schnell wurde klar, dass die Maurer nicht gerade Könner ihres Fachs waren. »Die haben nur improvisiert und rumgepfuscht«, erinnert sich Boschkovsky. Er zog die Notbremse und setzte im Mai einen Baustopp durch. Da stand jedoch schon der Rohbau, das Dach war gedeckt.
Das anschließende Beweissicherungsgutachten bestätigte dann Schwarz auf Weiß, was die Bauherren längst ahnten. »Am besten wäre es, das Haus wieder abzureißen«, empfahl der Experte. Die Liste der von ihm festgestellten eklatanten Bau- und Sicherheitsmängeln füllt eine halbe Akte:
Der Keller ist undicht, der Drempel eine Steinschicht zu niedrig gemauert, wodurch sich die Wohnfläche im Obergeschoss um 6,8 Quadratmeter verringert. Maueranker fehlen, Tür- und Fensterstürze sind so schwach dimensioniert, dass die Statik nicht mehr stimmt. Fenster sind nicht fachgerecht eingeschäumt, der gesamte Dachstuhl macht den Eindruck einer laienhaft zusammengebastelten Streichholzkonstruktion, eine Außenwand ist nur elf statt 25 Zentimeter dick. Der Giebel ist nicht im Lot und neigt sich nach vorne, die Isolierungen fehlt an vielen Stellen oder ist ungenügend. Der Beton ist teilweise nicht ausreichend verdichtet und bröckelt, die Dacheindeckung stümperhaft, der Kamin zu niedrig bemessen und, und, und...
92 120 Euro haben die Eheleute der Firma BBL bereits überwiesen. Dieses Geld ist aller Wahrscheinlichkeit nach weg, denn das Unternehmen hat während des Schadenersatzprozesses Insolvenzantrag gestellt. Die Mängelbeseitigung würde wohl weitere 100 000 Euro kosten. Da wäre die Abrissbirne vermutlich noch die bessere Lösung. Die beiden BBL-Geschäftsführer Frank L. und Dietrich B. sind für Irina Naumova nicht mehr zu sprechen.
»Ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll«, resigniert sie. »Unser Eigenkapital ist erschöpft, und angesichts der noch auf uns zukommenden Kosten zögert die Bank bei der weiteren Finanzierung.« Trotzdem will Sportlehrer Igor Boschkovsky mit Hilfe des elfjährigen Sohnes Bogdan versuchen, die Schäden in Eigenleistung zu beheben und das Häuschen noch fertig zu stellen. Architekt Andreas Sartisohn schätzt die Kosten auf mindestens 80 000 Euro, selbst wenn das Meiste gemacht wird.
Beim Landgericht Paderborn verklagten die unglücklichen Bauherren die Pleitefirma zwar erfolgreich auf Schadensersatz und bekamen 120 000 Euro zugesprochen - freuen kann sich das Ehepaar Naumova-Boschkovsky darüber allerdings nicht. »Wir haben einen Titel erstritten, aber ob wir ihn jemals vollstrecken können, ist die Frage«, sieht der Paderborner Rechtsanwalt Rüdiger Völkel die Sache realistisch. Etwa 12 000 Euro Gerichts- und Gutachterkosten musste Irina Naumova selbst zahlen. Immerhin folgte die 2. Zivilkammer aber in vollem Umfang der Argumentation des Rechtsanwaltes. Die Kläger durften angesichts der Vielzahl gravierender Mängeln den Bauvertrag kündigen, ohne BBL Haus noch die Möglichkeit zur Nachbesserung einzuräumen. Völkel: »Die haben eine derart desolate Werkleistung abgeliefert, dass meinen Mandanten eine weitere Zusammenarbeit nicht zuzumuten war.«
Die Familie hat zwar viel Vertrauen verloren, die Hoffnung aber nicht ganz begraben, dass der Traum vom Eigenheim vielleicht doch noch Wirklichkeit wird. Auch wenn er sehr teuer erkauft werden muss. Az.: 2 O 212/04

Artikel vom 15.10.2005