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Harter Angriff
auf Akademie

Nobelpreis-Juror beendet Arbeit

Von Thomas Borchert
Stockholm (dpa). Zwei Tage vor der Bekanntgabe des Literatur-Nobelpreises hat der Juror Knut Ahnlund (82) aus Protest gegen die Vergabe 2004 an Elfriede Jelinek (58) seine Mitgliedschaft in der Schwedischen Akademie niedergelegt.
Mag nicht mehr: Nobelpreis-Juror Knut Ahnlund.Foto: dpa

In der Zeitung »Svenska Dagbladet« schrieb der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler gestern, der Schaden für den Nobelpreis durch die Vergabe an die österreichische Autorin sei »irreparabel«. Weiter meinte er: »Die Vergabe an Jelinek hat den Wert der Auszeichnung auf absehbare Zeit zerstört.«
Ahnlund bezeichnete Jelineks literarische Arbeit in seinem Artikel über zwei Zeitungsseiten unter anderem als »monoman und einspurig«, jammernde und lustlose Gewaltpornografie«, geprägt von »parasitärem Charakter«, »sinnlos aggressiv« sowie »von aufgeblasenem Umfang, der in schreiendem Kontrast zu ausgesprochen dünn gesäten Ideen und Visionen steht«. Dazu erklärte Jelinek in Wien schriftlich: »Nein, dazu gebe ich keinen Kommentar ab.«
Ahnlund hatte wegen persönlicher Konflikte mit mehreren der insgesamt 18 Akademiemitglieder seit 1996 nur noch sporadisch an deren Arbeit teilgenommen und diese massiv in der Öffentlichkeit kritisiert. Über die Motive bei der Vergabe des mit zehn Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) an Jelinek vergebenen Nobelpreises meinte er: »Die Akademie hat nicht nur ihr Bild von sich selbst für zehn Millionen Kronen gekauft, sie muss es auch ungeprüft gekauft haben.« Er bezweifle, dass die anderen Juroren »auch nur einen Bruchteil« von Jelineks 23 Büchern gelesen hätten.
Nach den seit 1786 geltenden Regeln der Schwedischen Akademie sind die 18 Mitglieder jeweils auf Lebenszeit gewählt und können ihr Amt auch nicht selbst abgeben. Aus diesem Grund werden die Schriftstellerin Kerstin Ekman (72) und ihr Kollege Lars Gyllensten (83) weiter als Mitglieder geführt, obwohl sie im Jahre 1989 aus Protest gegen das Schweigen der Akademie zur Verfolgung des britischen Schriftsteller Salman Rushdie (58) zurückgetreten waren.

Artikel vom 12.10.2005