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Verliebte Pfauen-Dame
läuft zwölf Kilometer

Henne findet nach drei Tagen zu ihrem Hahn zurück

Von Christian Althoff
Bad Lippspringe (WB). Das ist Liebe: Eine Pfauen-Henne, die von einem Bauern verkauft worden war, hat sich zwölf Kilometer durch einen Wald geschlagen, um zu ihrem Hahn zurückzukehren. »Mir standen fast die Tränen in den Augen, als die Henne nach drei Tagen erschöpft und ausgehungert wieder auf meinem Hof auftauchte«, sagt Johannes Glitz.

Pfaue stammen ursprünglich aus Indien, wo sie im Dschungel leben und von den Menschen geschätzt werden, weil sie neben anderem auch junge Kobras fressen. Die Vögel leben am Boden, flattern aber nachts auf Bäume, um dort zu schlafen.
Landwirt Johannes Glitz aus Horn-Bad Meinberg (Kreis Lippe) hält seit 20 Jahren Pfaue auf seinem Hof, weil ihm die farbenfroh gefiederten Hähne gut gefallen. »Aber so etwas wie dieses Pfauenpaar habe ich noch nicht erlebt«, sagt er. Die Henne weiche dem Hahn seit Jahren nicht von der Seite und pflege mit ihrem Schnabel sein Gefieder, während sich der 15 Jahre alte Pfau immer wieder an das weibliche Tier kuschele.
Allerdings hatte die Henne eine Eigenart, die den Bauern schließlich dazu trieb, das Paar schweren Herzens zu trennen und die Henne abzugeben: »Sie stolzierte ständig über unser Auto und zerkratzte den Lack.« Ihr neues Zuhause sollte das Forsthaus in Bad Lippspringe (Kreis Paderborn) werden.
Förster Wilhelm Brandenburg holte den Vogel im vergangenen Monat in einem Sack ab und hielt ihn zunächst zwei Wochen in einer Voliere, damit sich das Tier an seine neue Umgebung gewöhnen konnte. »Doch kaum hatte ich die Henne freigelassen, war sie auch schon fort - obwohl in meinem Garten ein einsamer Pfauen-Hahn lebt!«, erzählt der Förster. Große Überlebenschancen in freier Natur habe er dem Vogel nicht gegeben: »Für Füchse und Marderhunde sind Pfaue eine leichte Beute.«
Doch die drei Jahre alte, grau gefiederte Henne schaffte es. Drei Tage brauchte sie, um den dicht bewaldeten Köhlerberg zwischen Lippspringe und Horn-Bad Meinberg zu überwinden und die zwölf Kilometer zum heimischen Hof zurückzulegen. »Und zwar zu Fuß, weil sie kaum fliegen kann!«, sagt Johannes Glitz.
Wie der Vogel zurückgefunden hat, ist für den Bauern ein Rätsel. Prof. Dr. Roland Sossinka, Verhaltensforscher an der Universität Bielefeld: »Falls der Hahn gerufen hat, könnte die Henne sich daran orientiert haben. Bei entsprechender Windrichtung sind Pfauenrufe nämlich über etliche Kilometer zu hören.« Möglich sei aber auch, dass das Erdmagnetfeld dem Vogel den Weg gewiesen habe. »In jedem Fall war es eine beachtliche Leistung der Henne, nach Hause zu finden«, sagte der Wissenschaftler.
Für Irma und Johannes Glitz steht jedenfalls fest, dass sie so viel »Tierliebe« nicht mehr im Weg stehen wollen: »Die beiden Vögel dürfen zusammenbleiben - auch wenn der Lack unseres Autos weiter darunter leiden wird«, schmunzelt die Bäuerin.

Artikel vom 12.10.2005