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SPD will viele
eigene Ziele durchsetzen

Bei Verhandlungen mit der Union

Berlin (dpa). Die SPD will bei den Verhandlungen mit der Union über ein gemeinsames Regierungsprogramm möglichst viele eigene Ziele durchsetzen. Partei- und Fraktionsspitze legten dazu gestern bei einer eintägigen Klausur in Berlin ihre Marschroute fest.

Unterdessen drohten mehrere SPD-Parlamentarierer, einer CDU-Kanzlerin Angela Merkel die Stimme zu verweigern, sollten nicht auch SPD-Forderungen wie das Elterngeld in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden. Besonders kritisiert wird in der SPD die Preisgabe der Ministerien für Familien, Bildung und Forschung an die Union.
SPD-Chef Franz Müntefering versicherte in einem Brief an alle Mandatsträger seiner Partei: »Wir sind entschlossen, so viele sozialdemokratische Inhalte aus unserem Wahlmanifest wie möglich in das künftige Regierungshandeln einzubringen.« Die SPD werde »um alle Punkte kämpfen. Und zwar in allen Politikbereichen, nicht nur in den SPD-geführten Ministerien«. Ein »Kurs der sozialen und gerechten Erneuerung« sei auch in einer großen Koalition unverzichtbar.
Müntefering betonte in dem Brief, dass ein Regierungsbündnis mit der Union noch keineswegs endgültig feststehe. Die eigentlichen Verhandlungen über die Ziele und Inhalte der Politik in den kommenden vier Jahren stünden erst noch bevor. Ein Koalitionsvertrag, »so er denn zu Stande kommt«, müsse für die gesamte Wahlperiode gelten.
Die Vorsitzende des Bundestags-Familienausschusses, Kerstin Griese (SPD), sagte, die Union habe bei den Zukunftsthemen wie Familien, Bildung und Innovation, »bisher keine Kompetenz gezeigt«. Deshalb müsse die SPD diese Zukunftsfelder in der Koalitionsvereinbarung maßgeblich prägen. Griese: »Davon mache ich meine Zustimmung abhängig.«
Der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, warnte vor der Zerschlagung des Bildungs- und Forschungsministeriums zu einem »Ressort in Abwicklung«. Die Zustimmung des SPD-Präsidiums zum neuen Kabinettszuschnitt dürfe »nicht als Freifahrtschein gewertet werden«. Bei dem Beschluss sei nicht bekannt gewesen, dass der designierte Wirtschaftsminister Edmund Stoiber (CSU) »sich frei nach Lust und Laune« alle Schlüsseltechnologien aus dem bisherigen Bildungs- und Forschungsministerium herausschneiden könne.
Der SPD-Parteilinke Michael Müller sagte, es müsse sich erst noch herausstellen, ob es mit der Union gehe. Über Merkel sagte der Vize-Fraktionschef: »Das wird sehr schwer mit ihr, weil ich denke, dass sie es nicht kann.« Der Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD, Klaas Hübner, legte ebenfalls auf die Inhalte Wert. Davon hänge ab, »ob man Frau Merkel zur Kanzlerin wählen wird«.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte am Montag seinen Rückzug aus der Regierung angedeutet. Müntefering bestätigte, dass Schröder im SPD-Vorstand gesagt habe, sein Lebensweg sehe anders aus: »Er hat es so gesagt, ja.« Schröder sei »offensichtlich bemüht« gewesen, »dass es keine weitergehende Diskussion dazu gegeben hat, und die ist dann auch sehr still gewesen«.
Führende SPD-Politiker plädierten dafür, auch Jüngere aus der Partei in die Regierungsarbeit einzubinden. Dies sei eine der wichtigsten Aufgaben Münteferings, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.

Artikel vom 12.10.2005