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»Koalition mitgestalten ohne Amt«

Gerhard Schröder bestätigt erstmals öffentlich seine Rückzugspläne

Berlin (WB/Reuters). Bis zuletzt hatten viele Genossen noch gehofft. Gestern Abend setzte der Noch-Bundeskanzler Gerhard Schröder allen Spekulationen ein Ende: Er wird unter Bundeskanzlerin Angela Merkel kein Regierungsamt übernehmen.
Gerhard Schröder: entspannt, weil er bald die Verantwortung los ist?

»Ob es (die große Koalition) gut wird, wird man ja sehen«, sagte Schröder gestern auf dem ersten Maschinenbau-Gipfel in Berlin. Es war Schröders erster öffentlicher Auftritt nach Zustandekommen der Grundsatzvereinbarung zur großen Koalition der SPD mit der Union. »Ich werde jedenfalls daran mitarbeiten, dass es gut wird. So verstehe ich die Aufgabe, die man dann, und auch dann hat, wenn man der nächsten Regierung nicht mehr angehört«, sagte er.
Näheres zu seinen Zukunftsplänen sagte Schröder nicht. Der Bundeskanzler bekannte sich noch einmal ausdrücklich zu den Plänen für die große Koalition. »Ich hoffe, dass sie zu Stande kommt«, sagte er.
SPD-Chef Franz Müntefering hatte nach den jüngsten Spitzengesprächen mit der Unionsführung bereits gesagt, Schröder solle an den Koalitionsverhandlungen auf Seiten der SPD teilnehmen.
Schröder forderte vor Vertretern des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus von der neuen Regierung die Fortsetzung seiner Reformpolitik. Er setze darauf, dass das, was er mit seiner Regierung begonnen habe, fortgeführt werde.
Dabei hob er hervor, man dürfe die Bedeutung des sozialen Friedens in Deutschland nicht unterschätzen. Von ihm profitiere auch die Wirtschaft. Er sei daher dagegen, die Mitbestimmung in Frage zu stellen oder gar vom Tisch zu fegen. Allerdings müsse die deutsche Mitbestimmung europafähig gemacht werden. Neben der extrem schwierigen Aufgabe der Haushaltskonsolidierung stehe für die neue Regierung auch an, die Unternehmenssteuern zu reformieren. Schröder setzte sich in diesem Zusammenhang dafür ein, die Ergebnisse des Job-Gipfels mit der Union in der großen Koalition durchzusetzen. Er halte es durchaus für möglich, bei der Körperschaftssteuer von derzeit 25 auf 19 Prozent zu gehen, wenn man das aus dem Unternehmensbereich finanziere. Auch sehe er eine gute Chance in der großen Koalition die Erbschaftssteuer beim Betriebsübergang so zu reformieren, dass sie nach zehn Jahren bei Betriebsfortführung entfalle.
Schröder warnte davor, die erzielten Reformerfolge klein zu reden. Er sehe auch vielfältige Anzeichen, dass sich nach dem Export nun auch die Binnenkonjunktur zu beleben scheine. Das sei umso bemerkenswerter, als die hohen Ölpreise Produzenten und Verbraucher belasteten. Sie würden aber nicht zu einer dramatischen Wachstumsabschwächung wie in den 70er Jahren führen. Die deutsche Wirtschaft habe insgesamt, auch mit Hilfe der Reformen seiner Regierung, international an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Die Wirtschaft habe aber auch selbst die Verantwortung, zur Verbesserung ihrer Bedingungen beizutragen.

Artikel vom 12.10.2005