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Auf dem Meister-Prüfstand

Schalke gegen Bayern: Titelrennen schon in einer ganz wichtigen Runde

Von Klaus Lükewille
Gelsenkirchen (WB). Sonntag, 13. März 2005: Als sich die großen Rivalen zum letzten Mal in der Fußball-Bundesliga gegenüber standen, da waren der FC Schalke 04 und der FC Bayern München punktgleich. Die Königsblauen gewannen ihr Heimspiel mit 1:0 - und übernahmen die Tabellenspitze.

Michael Ballack, der besiegte Regisseur des Rekordmeisters, ätzte aber noch vor der Abfahrt in Richtung München: »So gut sind die Schalker nicht. Wir werden uns im Titelrennen noch locker durchsetzen.« Das hörte sich damals etwas großsprecherisch an, aber genau so sollte es kommen. Die Bayern gewannen danach alle Spiele, fuhren die 19. Meisterschaft ein. Schalke kam in der Endabrechnung mit einem Riesen-Rückstand von 14 Punkten als Zweiter ins Saison-Ziel.
Samstag, 15. Oktober 2005. Wiedersehen in der Veltins-Arena. Und diesmal stehen sich die Konkurrenten nicht mehr wie damals, vor sieben Monaten, auf Augenhöhe gegenüber. Der FC Bayern blickt als Spitzenreiter zum Tabellenvierten FC Schalke 04 herab, denn er bringt einen stattlichen Vorsprung von fünf Zählern mit.
Für die Gastgeber ist die Ausgangslage vor diesem Gipfeltreffen also klar. Sie müssen das Ding unbedingt gewinnen - sonst liegen sie nach Bundesliga-Runde neun bereits weit abgeschlagen hinter dem Titelverteidiger zurück. Acht Punkte Rückstand, da könnten sie sich auf Schalke die Meisterschaft 2006 sehr wahrscheinlich schon abschminken. Dabei haben sie wieder so dick aufgetragen: Eine ohnehin schon gut besetzte Auswahl wurde noch einmal gezielt und teuer verstärkt. Manager Rudi Assauer sprach sogar von der besten Schalker Mannschaft aller Zeiten. In der Liga sind sie noch ungeschlagen, trotzdem wurde vor Wochen mächtig draufgehauen.
Ausgerechnet Ralf Rangnick war der »Prügelknabe«. Der Fußball-Lehrer, der die Königsblauen von Keller-Platz 15 auf Rang zwei und in die Champions League geführt hatte. Hier startete Schalke mit einem blamablen 0:1 beim PSV Eindhoven, und Assauer kritisierte danach nicht nur die Mannschaft messerscharf, er stieß auch die Trainer-Diskussion an.
Dabei stand der Manager selbst auf der Probe. Hat der Veltins-Reklameträger manchmal vielleicht doch zu tief in Glas geschaut? Der Promille-Protest kam sofort. Sogar Lebensgefährtin Simone Thomalla schaltete sich über die »Bild-Zeitung« mit ein. Ihr nüchterner Aufschrei: natürlich ein Plädoyer für Rudi.
Inzwischen, nach der glanzvollen Vorstellung mit dem 2:2 gegen den AC Mailand, sind die heiklen Personal-Themen in Gelsenkirchen wieder vom Tisch. Vorerst. Aber die Zündschnur glimmt weiter. Vorsicht, Explosionsgefahr.
Denn die Abstimmung zwischen den leitenden Angestellten könnte besser sein. Assauer und Rangnick funken nicht immer auf der gleichen Wellenlänge. Der Manager, der sein Macho-Image pflegt, er passt in seiner hemdsärmeligen Art eben nicht zu diesem Trainer, dem Fußball-Professor.
Ein stiller Brüter, ein leiser Denker. Und ein lauter, oft aufbrausender Lenker. Wie lange geht das gut? Ergebnisse werden den Stil der weiteren Zusammenarbeit natürlich entscheidend mit beeinflussen. Und die stimmten zuletzt. Vor allem dieses 2:2 gegen den AC Mailand, als die Schalker endlich einmal zeigten, dass sie auf hohem Niveau mithalten können.
In der Bundesliga haben sie diesen Nachweis bisher nicht geliefert. Klar, sie sind noch unbesiegt. Aber die vier Unentschieden in acht Spielen, die kosteten wertvolle Punkte. Danach erarbeiteten sich die Königsblauen zwei Dreier gegen Hannover (2:0) und in Frankfurt (1:0). Mit Ergebnis-Fußball, wie ihn sonst nur der amtierende deutsche Champion spielt.
Der kommt jetzt in die Arena. Schalke gegen Bayern. Und vielleicht motivieren ja nur die großen Rivalen, wie vor zwei Wochen Milan, diese launische Legionärs-Truppe zu starken Vorstellungen. Assauers beste Schalker Fußball-Mannschaft aller Zeiten, sie steht auf dem Meister-Prüfstand.

Artikel vom 15.10.2005