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Zuschauer pfiffen auf den Sieg

Keine Fortschritte zu erkennen: Deutschlands mühsames 1:0 gegen China

Von Hans Peter Tipp
Hamburg (WB). Wiedergutmachung war angesagt und fest versprochen: Aber gut sah das nicht aus, was die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen China in Hamburg anzubieten hatte. Ein mühsamer 1:0-Sieg gegen die Nummer 60 der Weltrangliste. Von WM-Format ist diese DFB-Auswahl weiter meilenweit entfernt.

Vier Stunden vor dem Anpfiff wurde eine Personalie besprochen und abgehakt: Bundestrainer Jürgen Klinsmann und Abwehrspieler Christian Wörns sind wieder einer Meinung. Der Dortmunder war beleidigt, weil er nicht für die Partien gegen die Türkei und China berücksichtigt worden war. Klinsmann nach dem Treffen: »Wörns gehört selbstverständlich weiter zum Kader, er wird den offenen Konkurrenzkampf um die WM-Tickets annehmen.«
Und der Bundestrainer unterstrich noch einmal: »Kein WM-Teilnehmer hat jetzt schon seine erste Elf zusammen. Auch bei uns sind noch einige Plätze frei.« Einen Posten im Angriff war gegen China eigentlich für Klose reserviert, aber der Bremer fühlte sich nicht fit genug, er hatte die Grippe doch noch nicht auskuriert. Für ihn war Neuville neben Podolski erste Spitzen-Wahl.
Sie wollten stürmisch starten, aber so einfach war das nicht. Eine chinesische »Fußball-Mauer« stellte sich in den Weg. Bis auf die einsame Spitze Hui Xie hatten alle Gäste-Kicker in erster Linie zunächst Defensivaufgaben zu erfüllen. Überlegen, aber nicht überlegt genug. Es lief wieder sehr wenig im deutschen Spiel. Und das Hamburger Publikum wurde schnell ungeduldig, bereits nach zehn Minuten gab es Pfiffe. Mit Breitwand-Fußball war gegen diesen Abwehr-Riegel wenig auszurichten. Es fehlte die Attacke über die Außenpositionen, es kam kein schneller Pass in die Tiefe: Und wenn endlich mal - dann war immer ein »Roter« schon da.
Deisler versuchte in der ersten Halbzeit wenigstens, das deutsche Spiel zu ordnen. Aber ihm fehlt die Praxis, bei den Bayern war er zuletzt ja nur zweite Wahl. Schweinsteiger, beim deutschen Meister bisher auch noch nicht zu oft am Ball, wagte den ersten schärferen Schuss. Aber Li Leilei war auf dem Posten. Er meisterte wenig später auch Deislers Versuch aus 30 Metern. Die Chinesen wagten dann erste Konterattacken und wurden dafür fast mit der Führung belohnt. Sie hatten zwei große Möglichkeiten, da lag das 0:1 gleich doppelt in der Luft.
Kreativität war im deutschen Spiel gefragt, aber Klinsmann wechselte zunächst nur in der Abwehr: Huth kam für Mertesacker. Dann tauschte er Stürmer gegen Stürmer, Kuranyi ersetzte den leicht angeschlagenen Podolski. In der 51. Minute endlich die Führung für die DFB-Elf. Wenn sie schon nicht nach einem der wenigen gelungenen Spielzüge getroffen hatten, jetzt wenigstens aus elf Metern. Chinas Kapitän Li Weifeng foulte Schneider, Frings verwandelte den Strafstoß. Mit Glück, denn vom Innenpfosten sprang der Ball ins Netz.
Jetzt kam kurze Zeit etwas mehr Druck in das deutsche Spiel. Aber so richtig rund und besser lief es auch in Hamburg nicht. Gegenüber dem 1:2 von Istanbul waren keine Fortschritte zu erkennen: Die Abwehr, nach sieben Spielen endlich mal ohne Gegentor, sie wackelt weiter. Das Mittelfeld ist ohne den verletzten Kapitän Ballack »kopflos«. Und der Angriff wurde von den Asisaten eingemauert. Die Hamburger, vorher in WM-Stimmung, reagierten nach dieser schwachen Vorstellung so: Sie pfiffen auf den Sieg.
Das Debut gegen China, es war die letzte Hausaufgabe im Jahr 2005 für die Deutschen. Vor eigenem Publikum treten sie jetzt im WM-Jahr erst wieder am 22. März gegen die USA in Dortmund an.

Artikel vom 13.10.2005