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Guter Jahrgang erwartet
Weinlese 2005: Viel Sonne im September wirkt sich günstig aus
Die Weinfreunde in Deutschland und Österreich sind schon gespannt: Wie wird der Jahrgang 2005 ausfallen? Je weiter man dieses Jahr gen Süden fuhr, desto schlechter war das Wetter. Hatte dies auch Auswirkungen auf den Wein?
Österreichs jüngste Diplom-Sommelière Theresa Egger vom Hotel »Theresa« in Zell am Ziller: »Natürlich hat der Wetterverlauf auf die Qualität des Mosts erheblichen Einfluss. Zu wenig Sonne kann die Reifung der Trauben beeinträchtigen, zu wenig Wasser die Kraft der Reben schwächen, sich mit Nährstoffen zu versorgen. Regen kurz vor der Lese wiederum verdünnt den Saft.«
Dem nassen Sommer folgte in Deutschland ein goldener Herbst, und in den Weinbergen hängen pralle Trauben. »Die Witterung ist für das Wachstum der Reben ideal gewesen«, sagt Steffen Schindler, Bereichsleiter Auslandsmarketing beim Deutschen Weininstitut. Wegen des hohen Reifegrades der Trauben erwartet er einen ausgesprochen guten Jahrgang, »mit dem man nach den Spitzenweinen der Vorjahre qualitativ noch draufsetzen kann«.
Doch es gibt auch Ausnahmen: Im Rheingau hat es zuletzt vereinzelt sehr stark und viel geregnet. Nach dem dort eher trockenen Sommer waren die Trauben heiß auf Wasser, und als es dann überreichlich kam, haben sie mehr davon aufgenommen, als ihnen gut tat.
Der Trend geht zu trockeneren Tropfen. Dies führte auch zu steigenden Exportzahlen, insbesondere in die USA. »Wir haben hart an unserem Image gearbeitet und erleben eine noch nie dagewesene Rieslings-Renaissance, die dem deutschen Wein zu Gute kommt«, sagt Schindler.
Die Mosel ist seit Jahrtausenden Inbegriff feiner Weißweine. Auf den mineralreichen Schieferböden reifen exzellente Rieslingsorten. Auch Winzer Bernhard Kirsten pflegt diese Tradition, in diesem Jahr hat er allerdings ein Experiment gewagt. In einer kleinen Steillage wächst Sauvignon Blanc. Die Septembersonne hat die Trauben verwöhnt und sorgt für ein überdurchschnittliches Mostgewicht. »Wir hoffen, dass wir einen schönen fruchtigen Sauvignon Blanc herstellen können, der nicht so viel Alkohol hat, aber Aromen von Maracuja und grünem Gras.«
Bei den früheren Sorten, wie Müller-Thurgau und Regent, ist im Badischen die Lese inzwischen weitgehend abgeschlossen. Erzeuger aus der Markgrafschaft wie aus der Ortenau melden bei Müller-Thurgau viele Weine im Kabinett-Bereich bei eher verhaltener Menge. Frank Männle, der als Qualitätsmanager der Winzergenossenschaften die Winzer berät: »Der Müller-Thurgau zeigt bereits schöne fruchtige Jungweine mit reifer Fruchtsäure, die zum Glück bis zur Lese erhalten blieb.« Experten wie der deutsche Spitzensommelier Guntram Fahrner besuchen zurzeit die Weingüter, um sich ein Bild von der Qualität des Jahrgangs zu machen. »Es sieht gut aus, insbesondere für den Riesling. Wir haben tolle Aromen und feine Säure. Etwas Edelfäule, das gibt Beerenauslese. Das Jahr wird sehr gut werden«, schwärmt Fahrner.
Seine Kollegin Egger ergänzt: »Je besser der Jahrgang, desto lagerfähiger der Wein. Allerdings kann der Winzer schlechte Einflüsse des Wetters durch Sorgfalt, Kapital, Erfahrung und gute Arbeit im Weinberg in Maßen ausgleichen. Kellertechnische Maßnahmen dagegen können dem Wein keinen neuen Jahrgangscharakter verleihen.«
Bei der aktuellen Lese des »Grünen Veltliners« waren Österreichs Winzer durchweg zufrieden: »Der Geschmack der Weintrauben ist sehr würzig und aromatisch - hervorragende Vorraussetzungen also für einen fruchtigen Jahrgang 2005.«
Die »jungen Österreicher« sind bereits ab Oktober am Markt. Die Dachmarke aller österreichischen Jungweine mit dem auffälligen Logo hat in den vergangenen Jahren immer mehr Akzeptanz gefunden. Findige Winzer integrieren dieses Logo in ihre Etiketten und profitieren so von der Werbewirkung.
Junge Kunst und neue Weine: Die fruchtbare Symbiose von Wein und Kunst hat Tradition und ist in zahlreichen Kunstschätzen lebendig. Künstlerische Gestaltungskraft ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Weinkultur, und der Wein ist dem Künstler nach wie vor eine Quelle der Inspiration.
Der internationale Trend hin zu Rotweinen hält auch hierzulande an. Der Anteil roter Rebsorten an den Gesamtrebflächen stieg auf 36 Prozent, vor 25 Jahren betrug er nur elf Prozent. Während in den vergangenen Jahren besonders die Rebsorte Dornfelder angebaut wurde, geht der Trend bei der Neupflanzung nun hin zu Deutschlands bedeutendster Rotweinsorte, dem Spätburgunder, und der pilzresistenten Rebsorte Regent.
Die Pfalz liegt dabei ganz vorne. In Herxheim am Berg erntet Winzer Michael Acker mehr als zwei Hektar Spätburgunder. Wie viele seiner Kollegen hat sich der 50-Jährige vom Weingut Schumacher der steigenden Rotweinnachfrage auch qualitativ angepasst. Die Winzer haben dazugelernt. »Sie sind ins Ausland gegangen und haben sich dort die Tricks von den Nachbarn abgeschaut. Jetzt haben sie ein besseres Gefühl für die Rotweinrebe. Das bringt die Rotweinwinzer voran und macht sich in der Qualität bemerkbar«, sagt der Experte Fahrner.
Der Spätburgunder 2005 verspricht einiges. Ob er wirklich ein Spitzenwein wird, liegt nicht zuletzt an der Behandlung nach der Ernte. Um den Charakter des Spätburgunders zu erhalten, setzt Michael Acker während der Gärung auf altbewährte Handarbeit. »Ich liebe ihn einfach, auch wenn er eine Diva sein kann, das heißt unberechenbar. Aber nach vier Wochen macht er richtig Spaß«, beschreibt er den Reifeprozess.
Der Wein des Jahres 2005 in Deutschland heißt übrigens »Tankseufzer«. Das teilte das Büro für Tourismus in der rheinland-pfälzischen Stadt Landau bei der Eröffnung des 53. »Festes des Federweißen« mit. Der Name, der vermutlich auf die gestiegenen Benzinpreise hinweisen solle, sei von einer Jury aus etwa 750 Einsendungen ausgewählt worden. Thomas Albertsen

Artikel vom 22.10.2005