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Eine WM als Versuchslabor

Neuer Videobeweis sorgt für weiteren Unmut bei den Fechtern

Leipzig (dpa). Den Fechtern fehlt beim neuen Videobeweis der Durchblick. Der Internationale Fechtverband (FIE) sorgt mit einer diffusen Informationspolitik nur für Verwirrung und zieht erneut den Ärger der Athleten auf sich.

»Es ist die Frage, ob man einen Videobeweis bei einer WM einführen muss«, sagt Degenfechterin Claudia Bokel. »Viele Fechter wissen gar nicht Bescheid«, erklärt die Präsidentin der Athletenkommission. Doch auch die Funktionäre zuckten noch mit den Schultern, als bereits die Wettkämpfe begonnen hatten. Für den deutschen Delegationschef Wilfried Wolfgarten ist der Videobeweis eine »Blackbox«, die FIE ein »Berg, der ein Mäuschen gebar«.
Statt wie vor der WM angekündigt auch den Athleten das Recht einzuräumen, strittige Treffer per Videoaufnahme noch einmal klären zu lassen, darf nun nur der Obmann seine Entscheidung selbst überprüfen - in Echtzeit und ohne Zeitlupe. Seine Autorität selbst in Frage zu stellen, davon machte kein Obmann bislang Gebrauch. »Wir sind darauf getrimmt, sofort eine Entscheidung zu treffen. Wenn du zögerst, machst du einen unsicheren Eindruck und das darf nicht passieren«, sagt der Heidenheimer Peter Roth als einer der profiliertesten Obmänner.
Warum also das Ganze? Nach dem Skandal im olympischen Säbelfinale 2004 mit mehreren offensichtlichen Fehlentscheidungen des ungarischen Obmanns Joszef Hidasi machte das Internationale Olympische Komitee (IOC) Druck auf den Fechtweltverband, die Objektivität der Obmann-Entscheidungen zu verbessern. Von Videobeweis war nicht die Rede, zumal Tatsachenentscheidungen auch in anderen Sportarten immer wieder für Diskussionen sorgen.
»Vorauseilenden Gehorsam« wollte Wolfgarten dem FIE-Präsidenten René Roch zwar nicht unterstellen, doch der Franzose nutzt immer wieder angeblichen Druck des IOC, um seine Vorstellungen durchzusetzen. Auf diese Weise drückte Roch bereits bei den Säbelfechtern das kabellose Fechten und die transparente Maske aus Plexiglas durch, obwohl die Florett- und Degensparten immer noch Sicherheitsbedenken haben. »Mit dem Argument, das IOC will es, kann man nicht jede Änderung durchsetzen«, kritisiert Claudia Bokel die Alleingänge Rochs, die ihm den Beinamen »Roch-Krepierer« eingebracht haben.

WM in Zahlen
Säbel, Frauen: Achtelfinale: Sophia Welikaja (Russland) - Stefanie Kubissa (Dormagen) 15:12; 2. Runde: Kubissa - Mariangela Postiglione (Italien) 15:6; Sibylle Klemm (Eislingen) - Edina Csaba (Ungarn) 10:15; Susanne König (Tauberbischofsheim) - Swetlana Kormilizyna (Russland) 12:15; Florett, Männer: Achtelfinale: Behr - Andrea Baldini (Italien) 8:15; 2. Runde: Luc Pichon (Belgien) - Dominik Behr (T'heim) 10:14; Lei Sheng (China) - Ralf Bißdorf (Heidenheim) 15:9; James Beevers (GB) - Peter Joppich (Koblenz) 15:10; Park Hee Kyung (Südkorea) - Benjamin Kleibrink (Bonn) 13:15: Säbel, Männer Finale: Mihai Covaliu (Rumänien) - Stanislaw Posdniakow (Russland) 15:12; Halbfinale: Covaliu - Oleg Schturbabin (Ukraine) 15:13; Posdniakow - Alexej Jakimenko (Russland) 15:8; Degen, Frauen Finale: Danuta Dmowska (Polen) - Maarika Vosu (Estland) 12:11 n.V.; Halbfinale: Laura Flessel (Frankreich) - Vosu 14:15 n.V.; Dmowska - Sherraine MacKay (Kanada) 15:9

Artikel vom 12.10.2005