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AusderZeitung »Die Welt«
vom 12. Oktober 2005

»Wird Angela Merkel
Chefin einer
SPD-Regierung ?«

Leitartikel
Politik und Wetterfrösche

Was nur reitet Edmund S.?


Von Rolf Dressler
Gleichviel, ob sie sich gerade fürs Kanzleramt rüsten (wie die Christdemokratin Angela Merkel) oder (wie der Sozialdemokrat Gerhard Schröder) noch im Abstieg von den Gipfeln der hohen Politik am Koalitionspoker teilhaben wollen, um der Nachwelt möglichst viel von der eigenen Handschrift zu hinterlassen: Sogar »Alphatiere«, so unaufgesetzt und redlich, großmächtig oder großspurig sie sich auch gebärden mögen, sind und bleiben letztlich doch immer auch nur Menschen.
Diese methusalem-alte, ewig junge Lebensweisheit ist allemal tröstlich. Zumal dann, wenn nicht mehr zu erkennen ist, was diesen oder jenen Volksvertreter bei dieser oder jener Einlassung nur geritten haben könnte. Akuter Beispiel-Fall: Edmund Stoiber.
Kaum haben die beiden Unions-Spitzenvertreter ihren Gegenübern von der SPD endlich das Ja zu der zumindest rechnerisch klaren Selbstverständlichkeit abgerungen, dass CDU und CSU den nächsten deutschen Kanzler stellen, da spricht der Bayer »seiner« künftigen Regierungschefin öffentlich das grundgesetzlich verbriefte Recht ab, die Richtlinien der künftigen schwarz-roten Regierungspolitik zu bestimmen.
Eine solche Steilvorlage gefällt Franz Müntefering, dem starken Mann der Nach-Schröder-SPD, natürlich gar prächtig. Ein »klassisches Direktionsrecht« einer Kanzlerin Angela Merkel werde es nicht geben. So tut er es genüsslich kund - und dürfte damit all jene in der Partei und in den Gewerkschaften anspornen, die darauf dringen, dass die künftigen SPD-Ministerien Finanzen, Soziales und Arbeit auch in der Großen Koalition prägend sozialdemokratische Politik machen.
Das freilich wäre geradezu ein Bremser- und Verhinderungs-Gegenprogramm gemessen an den erklärten Vorstellungen von CDU und CSU von einer freiheitlich-marktwirtschaftlich orientierten, arbeitsmarktfreundlichen Haushalts-, Steuer- und Sozialpolitik im Stile Ludwig Erhards, wie sie Edmund Stoiber als Bundeswirtschaftsminister betreiben möchte.
Derselbe Edmund Stoiber aber bestreitet der künftigen CDU-Kanzlerin Angela Merkel im Vorgriff schon mal die »reale« Richtlinienkompetenz. Das verstehe, wer will.
Wie also wird sich die Wetterlage zwischen Schwarz und Rot in den nächsten Verhandlungswochen gestalten? Apropos Fingerzeige, Vorhersagen etc.: Kein Frosch hat je Meteorologie studiert, doch sobald der Regen aufhört und die Sonne hervorscheint, klettert er auf höher gelegene Blätter, legt sich auf die Lauer und schnappt sich im Sprung alles, was er an leckerer Beute zu fassen kriegt. Deswegen kam er bei uns Menschen als lebendes Barometer im Weckglas zu Ehren. Aus dem Buch »Müssen Tiere Zähne putzen und andere Fragen an einen Zoodirektor« (Hanser Verlag):
»Weil auch Tiere Wettervorhersagen brauchen, in aller Regel aber keinen Fernseher besitzen, verlassen sie sich ganz auf ihre eigene Nase.«
Eine gute Empfehlung für Politiker und andere Menschen.

Artikel vom 13.10.2005