10.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Heute weitere Runde
im Personalpoker

Um elf Uhr noch ein Spitzengespräch geplant

Berlin (dpa). Der Personalpoker zwischen Union und SPD dauert länger als erwartet und geht überraschend in eine weitere Runde. Das Spitzengespräch, das gestern Abend um 20 Uhr begann, hat nach den wenigen Informationen,, die durchsickerten, noch nicht die Entscheidung um Kanzleramt und Kabinett gebracht.
Heute sei um 11 Uhr ein weiteres Treffen von Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Edmund Stoiber sowie dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) geplant, hieß es gestern aus der SPD in Berlin. Ein CDU-Sprecher sagte nur: »Es ist Stillschweigen vereinbart worden.«
Bei ihrem zweiten Spitzengespräch, das bis zum frühen Montagmorgen geplant, haben Union und SPD demnach nur einen Zwischenstand vereinbart. Nach Informationen der ARD aus der SPD sollen darüber heute Morgen zunächst die Parteigremien informiert werden und grünes Licht geben. Die Union pocht als stärkste Fraktion darauf, dass Merkel Kanzlerin wird, während die SPD sich weiter für Schröder ausspricht. Die Spekulationen um das künftige Kabinett einer möglichen großen Koalition rissen nicht ab.
Laut Berichten deutete sich eine Annäherung im Posten-Poker an. Gleichzeitig rückte die Frage der Kanzlerschaft und des Vizekanzlers immer stärker ins Visier. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) kann sich eine Teilung der Kanzlerschaft zwischen Schröder und Merkel »sehr gut« vorstellen. »Das würde das nötige Vertrauen beider Partner zueinander stärken«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. Nach der »israelischen Lösung« würde Schröder weitere zwei Jahre im Amt bleiben und von Merkel abgelöst. Die SPD- Fraktionslinke und der konservative Seeheimer Kreis erklärten, sie wollten nur Schröder als Kanzler akzeptieren.
Müntefering will nach einem Bericht der »Berliner Morgenpost« nicht Vizekanzler werden. »Er muss Partei und Fraktion zusammenhalten«, sagte ein SPD-Vorstandsmitglied. In der Partei werde »verzweifelt ein Vizekanzler gesucht«. Laut »Tagesspiegel am Sonntag« sind Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Verteidigungsminister Peter Struck (beide SPD) als Vizekanzler und Außenminister im Gespräch. Müntefering und Schröder hatten Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) laut »Spiegel« für das Außenamt vorgesehen, auch um ihn für die Bundestagswahl 2009 als Spitzenmann vorzubereiten. Platzeck lehnte einen Wechsel nach Berlin erneut ab.
Union und SPD verständigten sich nach einem Bericht der »Welt am Sonntag« darauf, in einem künftigen Kabinett gleich viele Plätze zu besetzen. Für die SPD könnte das zwei Ministerien mehr bedeuten, da die Union den Posten des Bundeskanzlers und des Kanzleramtschefs für sich beansprucht, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Parteikreise. Union und SPD wollten zudem das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit wieder aufteilen.
Laut »Focus« bot die Union der SPD acht Ressorts an. Dem stünden vier CDU-Minister und zwei der CSU gegenüber. Unter einer Kanzlerin Merkel solle Generalsekretär Volker Kauder Kanzleramtschef werden, berichtete das Magazin unter Berufung auf Unionskreise. Die CSU wolle den früheren Gesundheitsminister Horst Seehofer in die Regierung holen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) ging davon aus, dass Union und SPD in einer Bundesregierung gleich viele Minister stellen. Stoiber bekundete erstmals offen Interesse an einem erweiterten Wirtschaftsministerium.

Artikel vom 10.10.2005