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Science Fiction dient als Leitbild der Wissenschaft

ZiF-Forschungsjahr zu »verkörperter Kommunikation«

Bielefeld (uj). Mal ehrlich: Was wären die Weltraumabenteuer der Star-Trek-Serien Raumschiff Enterprise und Voyager ohne den Androiden Data und den holographischen Doktor? Die humanoiden Roboter imponieren nicht nur durch ihre immense Intelligenz, sie machen auch einen Teil des Charmes aus, der von den TV-Geschichten ausgeht.

Medialer Unterhaltungsblödsinn? Keineswegs: Die virtuelle Realität der Science Fiction-Lieblinge dient einer internationalen Forschungsgruppe durchaus als Leitbild für die Entwicklung künstlicher, kommunikationsfähiger Systeme. Unter der Leitung des Bielefelder Informatikers Professor Dr. Ipke Wachsmuth und des Psychologen Günther Knoblich (Newark) hat eine internationale Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) jetzt ihre Arbeit aufgenommen.
Unter dem Thema »Verkörperte Kommunikation bei Mensch und Maschine« zielen die Wissenschaftlicher zum einen auf ein besseres Verständnis der menschlichen Kommunikation und ihrer Evolution. Zum anderen liegt ein Schwerpunkt des Forschungsjahres im Bereich künstlicher Kommunikationssysteme. Ipke Wachsmuth: »Einerseits, um damit kommunikative Fähigkeiten des Menschen zu modellieren und zu simulieren, andererseits, um die Mensch-Maschine-Interaktion zu verbessern und natürlicher zu gestalten.«
»Max«, der an der Universität Bielefeld entwickelte künstliche Agent, steht derzeit für den Stand der Forschung auf dem Gebiet der interaktiven künstlichen Kommunikationssysteme. Mit seiner synthetischen Stimme und seinem animierten Körper kann Max sprechen, gestikulieren und Gesichtsausdrücke zeigen. Über ein Mikrophon und ein Tracking-System kann er sein Gegenüber auch »hören« und »sehen« und Sprache, Gestik und Blickrichtung des Menschen erfassen, verarbeiten und darauf reagieren.
Der allgemeine Nutzen solcher Systeme liegt für Wachsmuth klar auf der Hand: »Max könnte zum Beispiel als Ansprechpartner für Menschen dienen, die nicht mit dem Computer zurechtkommen. Gekoppelt mit dem Internet könnte er als Auskunftssystem dienen, verpackt in eine nette lockere Unterhaltung.«
Einsatzgebiete gebe es zahlreiche, betont Forschungskollege Karl Grammer, Anthropologe am Ludwig-Boltzmann-Institut in Wien. So wurden in der Autismus-Therapie gute Ergebnisse mit künstlichen Kommunikationssystemen erzielt. Offenbar erhöht es bei Erkrankten die Bereitschaft zur Kommunikation. Einsatzgebiete sieht der Experte auch in künftiger Lern-Software. »Menschen fällt es im Allgemeinen leichter, Kritik zu akzeptieren, wenn sie nicht vom Lehrer kommt«, erklärt Grammer. Und in Japan, wo die Hemmschwelle zur Nutzung künstlicher Intelligenz viel geringer als in Europa sei, werde daran gearbeitet, Reinigungsroboter zu entwickeln, die sich mit Gesten dirigieren ließen, so Grammer.
Die Eröffnungstagung brachte Forscher aus acht Nationen zusammen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen mit dem Aspekt der »verkörperten Kommunikation« befassten. Die Konferenz bildete zugleich den Auftakt des Forschungsjahres, mit dem die ersten Gäste ihren Arbeitsplatz ins ZiF verlegt haben. Das Thema »Mensch-Maschine-Kommunikation« findet gegenwärtig großes Interesse in der Sprach- und Kommunikationsforschung. »Hier hat sich in der vergangenen Woche die Creme de la Creme eingefunden. Für Bielefeld und die Universität ist das eine große Ehre«, unterstrich Ipke Wachsmuth am Rande der Tagung.

Artikel vom 10.10.2005