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Berlin beruft Krisenstab ein

Vogelgrippe: Bund und Länder beraten über einen Notfallplan

Berlin (dpa). Nach dem Vogelgrippe-Alarm in Rumänien und der Türkei beruft die Bundesregierung den Krisenstab von Bund und Ländern ein. Die Staatssekretäre der zuständigen Ministerien von Bund und Ländern werden heute in Bonn beraten, welche Aktionen für den Notfall nötig sind.

Das teilte Bundesminister Jürgen Trittin (Grüne) gestern in Berlin mit. Die Tierseuchenexperten des Friedrich-Loeffler-Instituts werden eine Risikoeinschätzung abgeben. Danach soll entschieden werden, wann ein Notfallplan greift und welche Maßnahmen dafür notwendig sind.
»Sollte sich herausstellen, dass es sich bei diesen Fällen um das hoch pathogene Virus H5N1 handelt, werden unsere Notfallpläne sofort greifen«, erklärte Trittin, der seit dem Rücktritt von Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) ihren Posten mit übernommen hat. »Was uns Sorgen macht, ist die Frage möglicher illegaler Importe aus der Türkei«, sagte Trittin.
Noch gebe es keine Veranlassung, die Freilandhaltung von Geflügel in Deutschland zu verbieten. Ein Verbot gilt bereits in einigen Regionen Nord- und Westdeutschlands. Weitere Testergebnisse von Proben aus der Türkei und Rumänien erwartete die EU-Kommission heute.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, forderte schärfere Grenzkontrollen. Eine Sprecherin des Verbraucherministeriums sagte: »Es gibt schon verstärkte Kontrollen an Grenzen.« Die EU-Kommission hatte zuvor den Importstopp für Geflügel und Geflügelprodukte aus der Türkei verschärft und auf unbehandelte Federn und lebende Vögel ausgeweitet.
Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy sprach sich für ein baldiges Treffen der EU- Gesundheitsminister und -Außenminister aus. »Wir müssen bestimmte Maßnahmen ergreifen, besonders mit Blick auf die Länder, die bereits von dem Virus betroffen sind«, erklärte der Minister weiter, der selbst Arzt ist und früher Chef des Gesundheitsressort der französischen Regierung war.
Die Behörden im westsibirischen Gebiet Kurgan wollen unterdessen mit Notschlachtungen von 460 000 Tieren eine Ausbreitung von Vogelgrippe in ihrer Region verhindern, teilte die Veterinärbehörde von Kurgan mit. Am Montag wurden aus Kolumbien erste Fälle von Vogelgrippe gemeldet. Allerdings handelt es sich nach Behördenangaben um einen weniger gefährlichen Erreger.
In Italien löste die Angst vor Vogelgrippe einen drastischen Rückgang des Geflügelkonsums aus. In Deutschland hat der Vogelgrippe-Alarm in Rumänien und der Türkei nach Einschätzung der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle für Erzeugnisse der Landwirtschaft (ZMP) keinen Einfluss auf den Appetit auf Geflügelfleisch.
In Rumänien wurden nach Protesten von Dorfeinwohnern trotz Vogelgrippe-Verdachts die Massentötungen von Geflügel gestoppt. Im Dorf Ceamurlia de Jos im Süden des Donaudeltas waren bereits 30 000 Tiere getötet worden. Bei drei verendeten Hausenten waren Antikörper gegen die Vogelgrippe festgestellt worden. Rumänische Behörden haben das Donaudelta und den Verwaltungskreis Tulcea unter Quarantäne gestellt. In der Türkei wurden nach dem Vogelgrippe-Alarm tausende Puten in nächtlichen Aktionen mit Gas getötet.
Das Risiko einer Infektion des Menschen über die Nahrung halten Experten für sehr gering. Das Virus stirbt beim Kochen. Der Erreger wird von infizierten Tieren weitergegeben, kann aber auch über Eier, Geflügelfleisch, Kleider und Schuhe übertragen werden.

Artikel vom 12.10.2005