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Den Kassenwart spielt Stoiber nicht

Der CSU-Vorsitzende liebäugelt mit einer Art Superministerium

Von Nada Weigelt
München (dpa). Edmund Stoiber liebt Fakten und Zahlen. Aber dass Bayerns Ministerpräsident in einer großen Koalition Kassenwart der Nation werden könnte, halten seine Parteifreunde für ausgeschlossen.
Ins Finanzministerium will Edmund Stoiber nicht einziehen. Foto: dpa
»Natürlich wird er nicht Finanzminister«, heißt es in München lapidar. »Wir können doch nicht der Blitzableiter sein für alle Grausamkeiten, die diese Regierung machen muss.«
Das Bauchweh der Parteistrategen zeigt das Dilemma, in dem Stoiber steckt. Allen ist klar, dass der CSU-Chef in einer großen Koalition mit am Kabinettstisch in Berlin sitzen muss. Rein rechnerisch nämlich wären CDU und SPD auf die kleine CSU gar nicht angewiesen - Stoiber hat die Aufgabe, den Anliegen seiner Partei Nachdruck zu verleihen.
Andererseits setzt die CSU nach ihrem Desaster bei der Bundestagswahl alles daran, bei der Landtagswahl in drei Jahren wieder ihr traditionelles Wahlziel von »50 Prozent plus x« zu erreichen. Eine CSU-Spitzenrunde, die sich am Mittwochabend unter konspirativen Umständen in München traf, hält das Finanzministerium hier für ausgesprochen kontraproduktiv.
»Die Begeisterung hielt sich in Grenzen«, formulierte ein Teilnehmer vorsichtig. Gern erinnern Führungsleute an den früheren CSU-Chef Theo Waigel, dem seine Rolle als Sparkommissar im Bund in Bayern immer wieder angekreidet wurde.
Stoiber liebäugelt deshalb weiterhin mit einer Art Superministerium für Wirtschaft, Infrastruktur und Verkehr, in dem er seine langjährigen Erfahrungen als Bayern-Regent umsetzen möchte. Das Außenamt traut er sich nach Einschätzung von Wegbegleitern ebenfalls zu, auch wenn die Aussichten darauf im Koalitionspoker nicht gerade rosig sind.
In jedem Fall will der ehrgeizige Oberbayer die anfangs wenig geschätzte Zwangsehe mit der SPD zum Erfolg verpflichten - frei nach dem Motto »Wenn ich schon mitmache, muss was rauskommen«.
Während sich die persönlichen Weichenstellungen für Stoiber wohl schon am Wochenende in einem großen Personalpaket abzeichnen, bleibt die Nachfolgefrage in Bayern eine schwierige Gratwanderung. Ausgerechnet die beiden engsten Vertrauten des Regierungschefs haben ihren Hut in den Ring geworfen - und es ist nicht abzusehen, wie ein Machtkampf der Kronprinzen Günther Beckstein (61) und Erwin Huber (59) vermieden werden kann.

Artikel vom 07.10.2005