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Pop-Literatur für die Bühne

Mischaël-Sarim Verollet legt mit »Phantomherz« erstes Buch vor

Von Bernd Bexte (Text und Foto)
Herford (WB). »Schock Deine Eltern, lies ein Buch!« steht provokativ auf so manchem Gymnasiasten-T-Shirt. Mischaël-Sarim Verollet schockt noch viel mehr. Er hat sogar ein Buch geschrieben. »Phantomherz« heißt das jetzt erschienene Debut mit den 19 besten Texten des Pop-Literaten und Poetry-Slammers.

Der 23-jährige Wahl-Herforder zählt zu den gefragtesten Autoren der Live-Literatur-Szene: Autoren, die ihre Alltagsprosa auf selbst organisierten Lesungen in Kneipen, im Wettbewerb mit Gleichgesinnten bei »Poetry-Slams« performen oder im Internet präsentieren. »Ich schreibe Pop-Literatur«, hat der hauptberufliche Mediengestalter, der auf Gibraltar geboren wurde, in Bielefeld aufwuchs und seit einem Jahr in Herford lebt, mit der Genre-Schublade kein Problem.
Schon in seiner fernsehlosen Kindheit hatte er sich Fantasy-Geschichten ausgedacht, seit sechs Jahren schreibt er »ernsthaft«: Alltags-Glossen, Real-Satiren, Beobachtungen eines jungen Zynikers, der auch schon mal knietief in der Melancholie watet. Viel zu verdanken hat er der Hamburger Band »Kettcar«. Die hatte drei Jahre lang seine erste Kurzgeschichte auf ihrer Homepage stehen - und noch heute fragen Fans nach dem ominösen »Rasierwasser«-Text. Der ist übrigens auch im »Phantomherz« enthalten.
»Meine Texte sind nicht typisch autobiographisch«, beugt der unverbesserliche Arminia-Bielefeld-Fan dem Missverständnis vor, hinter dem literarischen Ich immer gleich den Autor zu vermuten. Verollet nimmt sich die Freiheit zur Fiktion, zum Fabulieren, meidet aber schwermütige Befindlichkeits-Prosa, selbst wenn er in Texten wie »Hurra, Erdbeeren« die Tragik des Alltags in literarischer Tiefe erkundet. Er ist der Außenstehende, der respekt- und gnadenlos urteilt: über Großdiscotheken-Besucher, Hippie-Mädchen, Skinheads, Weltverbesserer oder Event-Manager. Dafür trägt er immer sein Notizbuch bei sich. »Darin notiere ich Gesprächsfetzen, Beobachtungen oder Fernseh-Nachrichten.« Seine Freundin Sarah ist die erste Zuhörer-Instanz. »Ihr lese ich die Texte zuerst vor, sie ist ein guter Gradmesser.«
Zweimal schon hat Mischa Verollet den monatlichen »Poetry-Slam« im Bielefelder Bunker Ulmenwall gewonnen, mit dem »Textival« hatte er diese Form des Literaten-Wettbewerbs auch nach Herford geholt. Eines richtigen Buches bedarf die Pop-Literatur also nicht. Und doch geht für Verollet jetzt ein Traum in Erfüllung: Der Paderborner Verleger Karsten Strack hatte ihn nach einem »Poetry-Slam« in Minden vom Fleck weg engagiert. In seinem »Lektora«-Verlag ist »Phantomherz« erschienen - 19 Texte Verollets aus den Jahren 1999 bis 2005 auf 158 Seiten. Doch wie für einen echter Rock'n'Roller stehen jetzt die Live-Gigs an, oder besser gesagt: »watt zählt, is aufm Platz«: Am Samstag, 15. Oktober, liest Verollet beim »Wortpalast« in der Hammer Mühle in Bielefeld, am 18. Oktober gemeinsam mit Micha Goehre im Herforder »Elfenbein«. Denn, so meint der Live-Literat: »Wer live liest, schreibt besser.«
www.verollet.com

Artikel vom 06.10.2005