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Blinde Gaby verblüfft Experten

Erster Fall in Deutschland - Farberkennungsgerät ersetzt Augenlicht

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). In Deutschland spricht seit Samstag jeder über Gaby Simon. Obwohl von Geburt an blind, erkannte die 48-Jährige aus Wallenhorst bei Osnabrück in der Sendung »Wetten,dass?« die Farben von Kleidungsstücken.

Wie sie das gemacht hat, wissen selbst Experten nicht. »Aus unserer Arbeit mit Blinden ist bundesweit kein ähnlicher Fall bekannt«, sagte gestern Alexander Schulz vom Lippischen Blindenverein.
Mit Wahrnehmungsförderung und Früherziehung blinder Kinder befasst sich Professor Michael Brambring von der Universität Bielefeld. »Ich habe noch kein blindes Kind kennen gelernt, das über die Fähigkeit verfügte, Farben zu erkennen«, sagte der Wissenschaftler gestern. Farben seien für Blinde durchaus von Bedeutung: »Blinde leben in der Welt der Sehenden. Sie bekommen verbal mit, dass Gras grün ist und bilden selbst Assoziationen wie die, dass blau so aussieht wie das Meer.«
Bereits 1988 hatte Gaby Simon gegenüber dem Leiter der Blinden- und Führhundeschule Preußenblut in Stemwede, Karl Dettmer, behauptet, sie könne ohne Augenlicht Farben erfühlen. »Damals und bis zur Fernsehsendung habe ich das nicht geglaubt«, sagte Dettmer gestern. Simons Blindenführhündin Carla sei in der Blinden- und Führhundeschule Preußenblut ausgebildet worden.
Helle Farben seien weicher, dunkle härter, hatte Gaby Simon gegenüber Moderator Thomas Gottschalk erklärt. Dem widersprach gestern ein Ingenieur der Frankfurter Firma Deister, die Textilfarben herstellt: »Wenn ich Ihnen zwei Kleidungsstücke vorlege, ein helles und ein dunkles, spüren sie keinen Unterschied.«
Auch ohne außergewöhnliche Fähigkeiten können Blinde ermitteln, ob eine Hose rot oder grün ist. »Das mit Sensoren bestückte Farberkennungsgerät ist etwas größer als ein Handy, es piepst, wenn man es an die Farbe hält und sagt dann rot, blau, grün oder was auch immer«, erzählt der Geschäftsführer des AURA-Blindenzentrums im lippischen Bad Meinberg, Michael Ratermann. 20 000 Übernachtungen im Jahr zählt das speziell auf Blinde und Sehbehinderte eingerichtete Hotel.

Artikel vom 05.10.2005