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Sechs Nordmänner mit Ost-Vorlieben

Im Polka-Rausch: »Kaizers orchestra« aus Norwegen im Ringlokschuppen


Bielefeld (bex). Es ist nicht die Abgedrehtheit, die fasziniert. Es ist ganz einfach die Musik, die »Kaizers orchestra« zu etwas Besonderem macht. Auch wenn die Norweger, für wohl niemanden verständlich, in ihrer Heimatsprache singen, der Organist eine Gasmaske trägt oder gelegentlich brachiales Trommeln auf Ölfässern den Rhythmus vorgibt - nicht nur die Show, vor allem der eigenwillige Stil-Mix des Sextetts (mit Kontrabass!) sorgte am Sonntag für Begeisterungsstürme im Ringlokschuppen.
Im gut gefüllten kleinen Saal zündete die Band aus Bergen ihr dunkel glühendes Feuerwerk aus Polka-, Blues- und Noise-Raketen. Ihr Affinität zur osteuropäischen Folklore ließ sie vor allem bei den Songs ihres ersten Albums »Oompa til du dör« - was frei übersetzt so viel heißt wie »Tanze Polka, bis du stirbst« - wie die Mischung eines angetrunkenen Salon-Orchesters der transsibirischen Eisenbahn und einer elektrisch verstärkten Klezmer-Band erscheinen. Dann wieder straighte Rock-Nummern im Stile der »Velvet underground«, die in die Beine gingen. Oder melancholische Balladen, die durch atonale Gitarren-Verzierungen von Rührseligkeit verschont bleiben.
Anleihen bei Nick Cave, Tom Waits oder gar den Einstürzenden Neubauten sind bei »Kaizers orchestra« unverkennbar. Allerdings gehen sie ihre Sache mit mehr Humor an, was vor allem an ihrem souveränen Frontmann liegt, der unter dem Künstlernamen Janove Sjakalen Kaizer sein Unwesen treibt. Wenn es denn so etwas geben sollte, dann liefern »Kaizers orchestra« die ideale Party-Musik für düster-verregnete Herbsttage.
Im Vorprogramm ließ Geoff Berner aufhorchen. Der Kanadier erzählte, nur von seinem Akkordeon begleitet, kuriose Geschichten über Liebe, Tod und Krankenhausaufenthalte in Rumänien. Sein sarkastischer Klezmer-Stil - Berner ist Jude - im abschließenden »Maginot line«, eine Parabel über vermeintliche Sicherheiten im Leben, ist ein poetisch-musikalisches Meisterwerk. Für eine »Anheiznummer« viel zu schade.

Artikel vom 05.10.2005