05.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

EU öffnet Ankara die Tür

Beitrittsverhandlungen mit Türkei und Kroatien aufgenommen

Brüssel (dpa). Nach dem Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien will die Europäische Union nun mit Hochdruck an der Lösung ihrer internen Probleme arbeiten. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn sagte gestern, die »Aufnahmefähigkeit« der Union für neue Mitglieder hänge vor allem vom Vorhandensein funktionsfähiger Institutionen sowie gesicherten Finanzen ab.

Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden nicht nur in Ankara, sondern auch in Griechenland als »historischer« Schritt begrüßt. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, die EU löse »ein Versprechen ein, dass der Türkei vor mehr als 40 Jahren gegeben worden ist«.
Der CDU-Außenpolitiker Wolfgang Schäuble hält den innenpolitischen Streit in Deutschland für entschärft. »Die Verhandlungsbedingungen sind für die deutsche Innenpolitik heute kein Problem mehr.« Eine kommende Regierung müsse die von den Vorgängerregierungen eingegangenen Verpflichtungen einhalten.
Die EU-Außenminister hatten sich am Montagabend nach mehr als 30 Stunden dauerndem Streit auf den Beginn von Verhandlungen mit der Türkei geeinigt. Dabei blieb es entgegen österreichischem Verlangen dabei, dass die Mitgliedschaft der Türkei das alleinige Verhandlungsziel ist. Wien erreichte aber, dass nicht nur für den Fall, dass die Türkei die Bedingungen nicht erfüllen kann, eine starke andere Bindung an die EU vereinbart werden soll. Dies soll nun ausdrücklich auch dann möglich sein, wenn die EU nicht »aufnahmefähig« für neue Mitglieder ist.
Rehn sagte, da die Verhandlungen mit der Türkei »Zehn bis 15 Jahre« dauerten, habe die EU durchaus ein Chance, sich eine neue Verfassung zu geben und die Finanzen neu zu ordnen. In diesem Jahr ist die neue EU-Verfassung durch die Ablehnung bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden zunächst gescheitert. Auch über die Finanzen der Union vom Jahr 2007 an konnten sich die Regierungen nicht einigen.
Die EU-Außenminister hatten auch Beitrittsverhandlungen mit Kroatien beschlossen, nachdem die Chefanklägerin des UN- Kriegsverbrechertribunals, Carla Del Ponte, Zagreb bescheinigt hatte, uneingeschränkt mit dem Haager Gericht zusammenzuarbeiten. Gestern am frühen Morgen hatten die Verhandlungen mit der Türkei und Kroatien offiziell begonnen. Sie wurden aber nach den Eröffnungsreden sofort vertagt.
Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel glaubt nicht, dass seine Haltung in der Frage der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei die Beziehungen zu Ankara belasten wird.
Die Organisation der Islamischen Konferenz begrüßte die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen. »Durch ihre Zugehörigkeit zur Europäischen Union könnte die Türkei eine wichtige Rolle im Dialog zwischen den Kulturen und Zivilisationen spielen.«
Der griechische Außenminister Petros Molyviatis sagte: »Es beginnt ein neues Zeitalter. Es ist eine Ära des Friedens und der Stabilität in der Region, die zu Gunsten des griechischen und des türkischen Volkes sowie aller Menschen der Region sein wird.«
Seite 4: Hintergrund/Leitartikel

Artikel vom 05.10.2005