06.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Illegale Pflege mit Todesfolge

In Deutschland werden 100 000 Hilfskräfte aus Osteuropa schwarz beschäftigt

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). In Deutschland werden immer mehr ältere Menschen durch illegale Pflegekräfte aus Osteuropa, vorwiegend aus Polen, betreut. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienst (bpa) rechnet mit einer Zunahme von schweren Pflegefehlern.

In Mittelhessen sei bereits ein 92-Jähriger an Misshandlungen gestorben, die ihm eine illegal beschäftigte und alkoholkranke Hilfskraft aus Polen zugefügt habe, sagte Jochen Rindfleisch-Jantzon, Vorsitzender des bpa in Hessen, dieser Zeitung. Weitere Todesopfer müssten befürchtet werden. Die osteuropäischen Hilfskräfte seien kaum ausgebildet. Sie könnten zum Beispiel keine Beipackzettel bei Arzneien lesen und würden somit Medikamente falsch verabreichen. Rindfleisch-Jantzon: »Was wir jetzt erleben ist nur die Spitze eines Eisberges. Es handelt sich um eine galoppierende Entwicklung.«
Nach Schätzungen des bpa gibt es in Deutschland bereits 100 000 illegale Pflegekräfte die konkurrenzlos billig arbeiteten. Das Ausmaß der Schattenwirtschaft in der häuslichen Pflege in Deutschland wird mit mindestens 2,5 Milliarden Euro jährlich angegeben.
Professionelle Banden würden die Billigkräfte nach Deutschland schleusen. Bezahlt würden sie dann mit Geld aus der Pflegeversicherung. Angehörige, die eine Pflegekraft illegal beschäftigten, machten sich der Steuerhinterziehung und des Sozialversicherungsbetruges schuldig.
Die Gewerkschaft Verdi spricht ferner von Ausbeutung der Hilfskräfte. Reguläre Arbeit werde verdrängt, sagte Gabriele Feld-Fritz vom Verdi-Fachbereich Gesundheit dieser Zeitung. Im Internet würden polnische »24-Stunden-Sklaven für alles angeboten«, bis hin zu Ärzten.
Auch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollbehörden spricht von organisierter Vermittlung der Schwarzarbeiter im häuslichen Bereich. Es seien bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, sagte FKS-Sprecher Klaus Salzsieder.
Die illegale Beschäftigung von Pflegekräften habe sich von Hessen aus ausgebreitet, sagte Rindfleisch-Jantzon. Ferner hätten sich in Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg Initiativen gegen die Schwarzarbeit im häuslichen Bereich gebildet. Auch in Nordrhein-Westfalen sei ein erhebliches Anwachsen dieser Schwarzarbeit zu beobachten.
Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) in Köln hat großes Verständnis dafür, dass Familien zur Aufrechterhaltung der häuslichen Pflege in ihrer Not auf Pflegekräfte aus Osteuropa zurückgreifen würden. Ein illegale Beschäftigungsverhältnis werde dabei oft billigend in Kauf genommen.
Dessen negative Folgen seien neben dem Aspekt der Schwarzarbeit zum einen eine nicht gesicherte Betreuungsqualität, zum anderen teilweise unwürdige Lebensverhältnisse der Pflegenden. Zum Schutz von zu Pflegenden und Pflegekräften müsse deshalb eine legal vertretbare Lösung für diese Pflegeverhältnisse gesucht werden, forderte KDA-Geschäftsführer Klaus Großjohann.

Artikel vom 06.10.2005