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Vergesst nicht die Religion
»Himalya« belohnt nicht nur das Anhäufen irdischer Schätze -ÊStrategiespiel
Viel anders als bei uns sind die Grundprinzipien des Lebens in Tibet auch nicht. Vielleicht, dass die Religion auf dem »Dach der Welt« doch noch eine wichtigere Rolle spielt - wichtiger als politischer Einfluss und wirtschaftlicher Erfolg.
Jedenfalls gilt dies für »Himalaya«, das neue Brettspiel von Régis Bonnessée. Zu den weiteren Besonderheiten gehört die Ermittlung der Gewinner am Ende des Spiels. Sie geschieht nach einer Art k.o.-System. Zunächst wird derjenige ausgesondert, der die wenigsten religiösen Verdienste erworben hat. Bei vier Teilnehmern folgt derjenige, der die wenigsten politischen Einflusspunkte sammeln konnte. Erst am Ende entscheidet die größere wirtschaftliche Macht über den Sieg. Es nützt also nichts, wenn man irdischen Reichtum anhäuft, dabei aber die Religion vergisst. Vertreter der reinen Lehre mögen allerdings entsetzt sein, dass man sich die Verdienste durch Spenden von Stupas - buddhistische Andachtsstätten - verdient, nicht durch Meditation, Yoga oder gute Werke.
Drei oder vier Spieler reisen als Karawanenführer von Dorf zu Dorf, um Rohstoffe einzusammeln und ihre Yak-Herden zu vergrößern. Oder sie senden Delegationen in entfernte Dörfer, um ihren politischen Einfluss zu vergrößern. Alternativ erhöht die Spende eines Stupa das seelische Heil. Über die Rohstoffkosten einer Aktion informiert der jedem Ort zugeordnete Auftragsring. Zudem haben die Dörfer ein unterschiedliches Niveau, ob sie nun aus Häusern oder einem Tempel oder aus einem Kloster bestehen. Das Niveau bestimmt die Zahl der Delegationen.
Himalaya-Bewohner planen ihre Routen lange im Voraus. Dabei versuchen sie, die wahrscheinlichen Aktionen der anderen zu berücksichtigen. Auf das Spiel übertragen bedeutet dies, dass jeder zu Beginn jeder Runde die nächsten sechs Aktionen im Voraus durch entsprechende Kärtchen festlegt. Alle tun dies gleichzeitig, geheim hinter einem Schutzschirm verborgen. Danach führt jeder der Reihe nach seine Aktionen in der von ihm vorgegebenen Reihenfolge durch. Dabei kann es passieren, dass der gewünschte und vielleicht fest einkalkulierte Rohstoff von einem anderen weggeschnappt wird. Gut, wer sich eine Kartenvorlage ausgedacht hat, mit der er dann flexibel reagieren kann. Im Übrigen haben die Karawanenführer keineswegs die freie Auswahl. Abgegeben wird von den Dörflern immer nur der billigste vorhandene Rohstoff.
Die Reise auf dem »Dach der Welt« dauert zwölf Monate. Zum Gewinnen braucht es Glück, weil vor allem in der Variante für vier Spieler Pläne immer wieder über den Haufen geworfen werden. Da die Yaks verborgen grasen, bleibt der Sieger bis zum Spielende offen.
Die vom Tilsit-Verlag gewählte Ausstattung ist dem Preis von 35 Euro angemessen. Einzige Ausnahme ist der wacklige Schutzschirm. Vielleicht liegt es an ihm, dass »Himalaya« am Ende »nur« auf die Auswahlliste zum »Spiel des Jahres« kam. Niemand sollte sich von der etwas langen und unübersichtlichen Spielanleitung abschrecken lassen. Für alle, die nicht zu komplizierte Strategiespiele mögen, ist es eine echte Empfehlung.
Die vorgeschlagenen Zusatzregeln sind nach einigen Runden Basisspiel ebenfalls eine echter Zugewinn. Bernhard Hertlein

Artikel vom 08.10.2005