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Die Callas auf Egotrip

Premiere des Stücks »Meisterklasse« in Bielefeld

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Kein Applaus, bitte, kein Applaus. Ich bin hier nicht wichtig,« macht die Callas dem Publikum klar - um dann umgehend einzig und allein von sich selbst zu reden.

Sie erzählt von ihren Triumphen, von ihren Rivalinnen (die sie nach eigener Ansicht nie gehabt hat), von ihrer großen Liebe zum griechischen Reeder Aristoteles Onassis, der sich die Diva gekauft hat, damit sie ihm Klasse gibt.
»Meisterklasse«, das Broadway-Erfolgsstück von Terrence McNally, hatte im Bielefelder Theater am Alten Markt (TAM) Premiere - das Stück, in dem ein Idol Unterricht gibt, ist auch eine Hommage an Hauptdarstellerin Therese Berger, die die Callas nicht spielt, sondern die Callas ist. Schon, weil sie mit der dunklen Sonnenbrille im dunklen Haar aussieht wie die Callas auf alten Fotos.
»Meisterklasse« zeigt die Callas, wie sie von 1971 an an der Juilliard School of Music in New York unterrichtet hat. Während sie den Schülern eine »hübsche Stimme« bescheinigt, lässt sie doch keinen Zweifel daran, dass deren Karriere allenfalls »irgendwo an einem kleinen Theater in der Provinz« ihren Höhepunkt finden wird, während sie selbst an der Scala, an der Met, an der Pariser Oper so umjubelt wurde wie keine vor und keine nach ihr. Therese Berger spielt eine Frau, die sich der Musik bedingungslos hingibt, die von allen Tribut fordert - und doch nur von einem einzigen Mann, von »Ari« Onassis, geliebt werden will. Der schickt sie erst von seiner Yacht, weil er mit Jackie Kennedy allein sein will, dann aus seinem Leben.
Da ist die Verachtung für alle, die ihr Talent nicht erkannt haben: für die Musiklehrerin in der Schule, die ihr eine zarte Blondine vorzog, für alle die, die in ihr nur eine übergewichtige singende Griechin gesehen habe - bis sie innerhalb kurzer Zeit 30 Kilogramm abnahm und zur Primadonna wurde.
Ihre Schüler, gespielt von Annick Séférian, Melanie Loll, Christian Engelhardt, teilweise selbst noch im Studium, und Laurenz Wannenmacher, der Pianist, dessen Namen sie sich noch nicht einmal merken kann, kanzelt sie ab - so lange, bis von der Bewunderung für »die Callas« nichts mehr übrig ist.
Maria Callas berauscht sich an der eigenen Stimme - wenn auch nur auf Schallplatte - während sich der Nachwuchs nach einem ermutigenden Wort verzehrt. Es ist auch der große Auftritt, der eine »Primadonna assoulta« macht. Ist zumindest die Callas sicher. Und der gekonnte Abgang: »Bitte, keine Applaus - ich bin hier doch nicht wichtig.«

Artikel vom 03.10.2005