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Hundefutter und
Prügel für Vanessa

Mädchen von Mutter misshandelt

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Wieder ein schockierender Fall von Kindesmisshandlung. In Altenbeken im Kreis Paderborn musste ein zehnjähriges Mädchen Hundefutter essen. Vanessa wurde von ihrer eigenen Mutter erniedrigt und brutal gequält. Trotzdem hat die Staatsanwaltschaft Paderborn das Verfahren wegen Kindesmisshandlung vorläufig eingestellt.

Nathalie S. (32) hat fünf Kinder von drei Männern. Mit der Kinderschar, einem Lebensgefährten, dessen Schwester, deren drogen- und alkoholabhängigem Freund Roberto R. und einem neurotischen Hund lebte sie in einer 120-Quadratmeter-Wohnung. Ihre Wut auf ihren ersten Ehemann, Vanessas Vater, ließ die Frau an dem Kind aus. Die Ermittlungsakte liest sich wie ein Gruselroman: eine verschmutzte Windel über dem Kopf, Prügel, Fußtritte, kalte Duschgüsse, Isolierhaft auf dem Balkon, Fesselungen, den Kopf gegen die Wand geschlagen, bewusst zugefügte Verletzungen mit einer Glasscherbe - und dann wurde das Mädchen auch noch gezwungen, ein Menü aus Essenresten, Hundefutter und Chillischoten herunter zu würgen.
Einen Teil der Vorwürfe räumte die Mutter am Freitag vor dem Paderborner Schöffengericht ein: »Ich habe meiner Tochter sehr schlimme Dinge angetan, die ich nie wieder gut machen kann, und ich schäme mich dafür«. Bevor die Wahrheit ans Licht kam, hatte sie allerdings den Junkie Roberto R. sämtlicher Taten bezichtigt und ihn angezeigt. »Der hat alle tyrannisiert, wir wollten ihn loswerden. . .«, räumt die Angeklagte ein. Der Mann saß sieben Wochen zu Unrecht in U-Haft.
Wegen falscher Verdächtigung und Freiheitsberaubung wurde Nathalie S. zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Ob die Staatsanwaltschaft angesichts dieser vergleichsweise milden Strafe das Verfahren wegen Kindesmisshandlung wieder aufnehmen wird, ist offen.
Im Prozess wurde auch deutlich, dass sich die Behörden nicht mit Ruhm bekleckert haben. Seine Mandantin habe beim Kreisjugendamt um Hilfe gebeten, sei aber abgewimmelt worden, berichtet Verteidiger Dieter Cramer. Die Zustände in der Familie mussten der Behörde bekannt sein: Immerhin übernahm das Amt die Unterhaltsverpflichtungen für den zahlungsunwilligen Vater von zwei Kindern. In der Schule soll die Tragödie nicht aufgefallen sein. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 01.10.2005