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Merkel betont Machtanspruch

Letztes Werben der Parteien um Stimmen vor der Nachwahl in Dresden

Dresden (dpa/Reuters). Unmittelbar vor der Bundestagsnachwahl in Dresden haben Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel am Freitag in der sächsischen Hauptstadt das Spitzenamt am Freitag vor jeweils 1500 Zuhörern für sich reklamiert.

Im Dresdener Wahlkreis 160 sind am Sonntag 219000 Wähler zur Stimmabgabe aufgerufen, weil eine Direktkandidatin kurz vor dem Wahltermin am 18. September gestorben war. Wahlforscher halten es für ausgeschlossen, dass die SPD mit dem Resultat in Dresden ihren Rückstand von drei Mandaten gegenüber der Union im Bundestag noch aufholen kann.
Merkel und Schröder sprachen der Abstimmung Signalwirkung für den Fortgang der Sondierungsgespräche für eine große Koalition in Berlin zu. »Rot-Grün ist abgewählt«, sagte Merkel. »Das ist schon vor der Nachwahl in Dresden sicher.« Es sei zu hoffen, dass Schröder dies nach dem letzten Wahlakt in Dresden auch einsehe. Mit einem guten Ergebnis für die Union bei der Nachwahl könne »ein letzter, ein starker Akzent gesetzt werden«.
Schröder appellierte an die Wähler in Dresden, ihm das Weiterregieren in Berlin zu ermöglichen. Er wolle auch in den kommenden Jahren an der Spitze der Bundesregierung für die Erneuerung des Landes und für sozialen Zusammenhalt kämpfen.
Zuvor hatte Merkel bereits in der »Sächsischen Zeitung« auf ihrem Anspruch auf das Kanzleramt beharrt. Ohne Klärung der Kanzlerfrage werde es keine Verhandlungen mit der SPD geben.
Unterdessen wächst in der Union nach dem schlechten Ergebnis vom 18. September Kritik an der Wahlkampfstrategie. Nach einem »Spiegel«-Bericht machten führende Unionspolitiker vor allem den angeblich emotionslosen Wahlkampfstil Merkels und die angekündigten Kürzungen im Sozialbereich für die Schlappe am 18. September verantwortlich gemacht. »Wir haben einen zu nüchternen, kühlen Wahlkampf geführt«, wird der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) zitiert.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann (CDU): »Wir haben die Herzen der Menschen nicht erreicht.« Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) vertrat die Auffassung, dass die Union im Wahlkampf die Bürger mit zu vielen Belastungen konfrontiert habe: »Mit Mehrwertsteuererhöhung, Kürzung der Pendlerpauschale und Lockerung des Kündigungsschutzes haben wir den Wählern zu viel zugemutet.«
CSU-Vize Horst Seehofer gab Merkel mit Blick auf die Berufung des Steuerfachmanns Paul Kirchhof indirekt eine Mitschuld an dem Unions- Wahlergebnis. Wenn etwa der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz »in der ersten Reihe im Wahlkampf dabei gewesen wäre, hätte die Union einige Prozentpunkte mehr erreicht.«
Nach Worten von Parteichef Franz Müntefering wird in der SPD auf jeden Fall ein Parteitag über einen Eintritt in eine große Koalition das letzte Wort haben. »Es gibt Tabus, die nicht verhandelbar sind«, schrieb er an alle Abgeordneten und Mandatsträger der SPD zur weiteren Verhandlungsstrategie mit der Union.
Teile der SPD-Bundestagsfraktion schließen einem Zeitungsbericht zufolge erneute Wahlen zum Bundestag nicht aus. Für diesen Fall rechne sich ein Teil der SPD mit einen Spitzenkandidaten Gerhard Schröder bessere Chancen aus, weil die Kandidatenfrage in der Union dann offen wäre, berichtete die »Süddeutsche Zeitung«. CDU und CSU kämen bei Neuwahlen in eine äußerst schwierige Lage, weil CDU-Chefin Angela Merkel nicht wieder Kanzlerkandidatin wäre, berichtete die »Süddeutsche Zeitung« unter Berufung auf Unionskreise. Die von der »Süddeutschen Zeitung« berichteten Neuwahl-Überlegungen zielen darauf ab, eine Kanzlerschaft von Merkel zu verhindern. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 01.10.2005