30.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bethel: Streit um das neue Arbeitsrecht

Mitarbeiter wollen die Übernahme des TVöD

Von Sabine Schulze
Bethel (WB). Bei den Mitarbeitern der Diakonie brodelt es: Sie wollen, dass auch im kirchlichen Bereich der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) übernommen wird, die Arbeitgeber lehnen ab. Mehr als 1000 Angehörige der von Bodelschwinghschen Anstalten haben gestern bei einer Versammlung für die Übernahme votiert.

In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen von Bund und Kommunen gilt mit dem 1. Oktober der TVöD, der den alten Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) ablöst. Für die Angestellten der Diakonischen Einrichtungen gilt der BAT-Kirchliche Fassung mit unbefristeter Laufzeit. Die Arbeitnehmer in der zuständigen Arbeitsrechtlichen Kommission wünschen die Übernahme des TVöD, »den Arbeitgebern ist das zu teuer«, sagt Roland Brehm, Vorsitzender der Gesamtmitarbeitervertretung der von Bodelschwinghschen Anstalten (mit 14 000 Mitarbeitern, davon 8 000 in Bielefeld).
Er und sein Stellvertreter Ludger Menebröcker halten wiederum den Vorschlag der Arbeitgeberseite für indiskutabel: Er beinhaltet im Vergleich zum TVöD unter anderem einen flexiblen Anteil von zehn Prozent am Gehalt, zudem den Wegfall von Urlaubs-, Weihnachtsgeld und Beihilfen. »Diese Schlechterstellung können sich viele unserer Mitarbeiter überhaupt nicht leisten!«
Offenbar schlügen jetzt die Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich durch und seien die Anbieter sozialer Dienstleistungen »geblendet von Markt und Wettbewerb.« Bei dem Versuch, sich gegenseitig zu unterbieten, stelle sich zudem irgendwann die Frage nach der Qualität der Betreuung. Einig wissen sich Brehm und Menebröcker mit dem Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, der betonte, die Caritas sei Mitgestalter und Partner des Sozialstaates und nicht Erfüllungsgehilfe der Sozialleistungsträger. Indem diese, der Staat und die Kommunen die finanziellen Probleme auf die sozialen Dienstleister verlagerten, gefährdeten sie deren Existenz.
Der Bethel-Vorstand lehnt den TVöD - ohnehin bereits ein Kompromiss, so Brehm - ab, da man im massiven Wettbewerb stehe und Fallpauschalen marktgerechte Preise forderten. Ebenso orientierten sich Eingruppierungen nicht an der Aufgabe, würden Zeitaufstiege automatisch gewährt und seien Weihnachtsgeld sowie Wochenarbeitszeit nicht an der wirtschaftlichen Situation der diakonischen Einrichtungen orientiert. Und: »Die umfangreichen Besitzstandsregelungen für die Mitarbeiter werden zu erheblichen Steigerungen der Personalkosten führen, die nicht refinanzierbar sind«, so Vorstandsvorsitzender Pastor Friedrich Schophaus.
Derzeit sind die Fronten in der Arbeitsrechtlichen Kommission verhärtet. »Wir werden die Arbeitnehmerseite mit Resolutionen und Aktionen unterstützen«, kündigt Brehm an. Das Wort Streik mag er noch nicht in den Mund nehmen: »Es gibt andere Formen der Überzeugungsarbeit, es wird auch politische Gespräche geben.« Die nächsten Verhandlungen stehen am 26. Oktober in Iserlohn an. Kommt es nicht zur Einigung, wird der BAT-Kirchliche Fassung weitergelten - mit langfristig finanziellen Nachteilen für beide Seiten: Die einen müssen auf Einmalzahlungen, wie sie der TVöD in den kommenden drei Jahren statt prozentualer Gehaltserhöhung vorsieht, verzichten, die anderen weiter Ortszuschläge für Ehegatten zahlen. Und, meint Brehm: »Der Wettbewerb um Mitarbeiter wird künftig auch über das Gehalt geführt.«

Artikel vom 30.09.2005