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Allein die Gegenwart stört

Arminias Gegner Bayer Leverkusen will bald wieder ein Spitzenteam sein

Von Hans Peter Tipp
Bielefeld (WB). Dieser Mann, so heißt es in der Bun- desliga, bringe jeden Verletzten wieder zum Laufen. Zurzeit scheinen aber selbst die heilenden Hände von »Medizinmann« Dieter Trzolek bei Bayer Leverkusen nichts ausrichten zu können.

Im Bundesligaheimspiel gegen Arminia Bielefeld (Samstag, 15.30 Uhr/Premiere live) geht es für die zuletzt farblosen Farbenstädter nach dem sang- und klanglosen Ausscheiden am Donnerstag aus dem Uefa-Pokal bei ZSKA Moskau um die Wiedergutmachung. Deshalb dürfte das große Jubiläum des Masseurs nur im Hintergrund gefeiert werden. Trzolek, von allen eigentlich nur »Tscholli« genannt, ist am Samstag auf den Tag genau seit 30 Jahren für die Bayer-Kicker da.
Auch aus Bielefeld sind in dieser Zeit einige besonders »schwere Fälle«, wie Ansgar Brinkmann, nach Leverkusen gereist, um auf den Rat jenes Physiotherapeuten zu hören, der nach dem Abschied des langjährigen HSV-Masseurs Hermann Rieger wohl der bekannteste Fitmacher der Liga ist.
Wenigstens diesen Titel werden die Leverkusener, immerhin deutscher Vizemeister der Jahre 1997, 1999, 2000 und 2002, noch lange verteidigen. Schließlich denkt der fitte 58-Jährige noch lange nicht an seinen Abschied.
Doch ansonsten sieht es unter dem Bayer-Kreuz eher düster aus. Das Europa-Aus bei ZSKA Sofia machte es deutlich: Spitze sind zurzeit nur noch die eigenen Ansprüche -Êvor allem die von Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Trotzig hält er an seinem Ziel fest, mittelfristig eine »absolute Spitzenmannschaft« formen zu wollen. Und Interimstrainer Rudi Völler behauptet nach wie vor steif und fest: »Wir sind ein attraktiver Verein.«
Doch die Realität ist eine andere: Bayer spielt im internationalen Fußball vorerst keine Rolle mehr und muss in der Liga aufpassen, den Anschluss nicht zu verlieren. Es fehlt an allen Ecken und Enden und in Sofia am rechten Willen, wie ein ratloser Völler anmerkte: »Ich hatte nach dem 0:1 das Gefühl, dass keiner mehr so richtig dran glaubt.«
Das hört sich nicht gut an und könnte die Suche nach einem neuen Trainer komplizieren. Dass Dänemarks Nationaltrainer Morten Olsen lieber zu einem international tätigen Club gehen würde, liegt nämlich auf der Hand. Dennoch soll, wie gestern aus dem Umfeld des Wunschkandidaten zu hören war, ein Wechsel an den Rhein nicht an der trüben Leverkusener Gegenwart scheitern. Offiziell zusagen darf Olsen jedoch erst, wenn seine Dänen in zehn Tagen ihre Spiele in der WM-Qualifikation hinter sich gebracht haben. Und so lange bleibt ein Rest Unsicherheit.
Daher sollen gegen Bielefeld bessere Zeiten eingeläutet werden. Ein Sieg, neue Perspektiven in der Liga und etwas Ruhe im Umfeld - das wünscht sich nicht nur Geschäftsführer Holzhäuser, sondern auch die Mannschaft.
»Jetzt müssen wir in der Bundesliga richtig Gas geben. Nicht, dass wir da auch noch absacken«, sagte Kapitän Carsten Ramelow noch in Sofia. Große Umstellungen plant Völler gegen Bielefeld nicht: Seine Spieler sind seelisch angeschlagen, aber körperlich fit aus Bulgarien zurückgekehrt. Wahrscheinlich wird er den Verlierern vom Donnerstag eine neue Chance geben.
Vielleicht legt im Hintergrund aber auch Dieter Trzolek Hand an. Nicht nur vor seinem Jubiläum hat er neben Salben und Bädern nämlich auch etwas Physio-Philosophie parat. »Wenn man im Glück badet, sollte man möglichst nicht den Stöpsel aus der Wanne ziehen«, lautet einer seiner Lieblingssätze. Im Moment wird bei Bayer aber dringender jemand gesucht, der den Stöpsel wieder reinsteckt -Êin die Badewanne des Glücks.

Artikel vom 01.10.2005