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»Krieger« Krasniqi wird
wie ein Sieger gefeiert

Weltmeister Brewster lag auf den Punktzetteln zurück

Hamburg (dpa). Kampf verloren, Titel verpasst, aber Millionen neue Fans gewonnen: Profi-Boxer Luan Krasniqi wurde trotz der Niederlage durch technischen K.o. in der neunten Runde gegen Schwergewichtsweltmeister Lamon Brewster in Hamburg wie ein Sieger gefeiert.
US-Promoter Don King und Weltmeister Lamon Brewster haben großen Respekt: Luan Krasniqi (r.) verlangte dem Titelverteidiger alles ab.Nach Punkten lag Luan Krasniqi vorn: Auch er landete Treffer und hatte den WM-Gürtel bis zur achten Runde zum Greifen nahe.
In dem Atem beraubenden Gefecht kam selbst der umtriebige Promoter Don King nicht mehr aus dem Staunen heraus: »Luan Krasniqi hat gekämpft wie ein echter Krieger. Er hat es verdient, eine zweite Chance zu bekommen«, meinte der Amerikaner und räumte immer noch verblüfft ein: »Ich war in keiner Phase sicher, dass wir den Kampf gewinnen.«
Als Krasniqi völlig benommen in den Ringseilen hing, wurde Brewster von zwei Betreuern in seine Ringecke geschleppt. Später trugen ihn gleich vier ausgewachsenen Männer in die Kabine. Beide Kämpfer hatten bis zur völligen Erschöpfung aufeinander eingeprügelt. Letztlich musste Krasniqi eingestehen, den Sieg und damit den zweiten deutschen Schwergewichtstitel 75 Jahre nach Max Schmeling ausgerechnet an dessen 100. Geburtstag verschenkt zu haben. Nach Punkten lag er bis zur achten Runde bei allen drei Kampfrichtern (+5, +3, +1) vorn.
»Ich habe Lehrgeld bezahlt. Ich dachte, ich habe das Ding sicher und bin leichtsinnig geworden«, gestand der 34-Jährige aus dem schwäbischen Rottweil. Dass er sich nach dem schweren Niederschlag in der achten Runde (»Ich wusste nicht mehr, wo vorn und hinten ist«) noch einmal zu Attacken in der neunten Runde aufraffen konnte, riss die meisten der 13 000 Zuschauer von den Sitzen. »Es ist nur eine Frage der Zeit, wann Luan den Titel holt«, meinte Promoter Klaus-Peter Kohl.
Krasniqi hat nunmehr Regina Halmich als größten Quotenbringer des deutschen Fernseh-Boxens abgelöst. 7,62 Millionen Zuschauer verfolgten die Übertragung im ZDF (Marktanteil 37,9 Prozent), in der Spitze waren es gar 8,01 Millionen (43,4 Prozent). Darum soll der gebürtige Kosovo-Albaner, der seit 1987 in Deutschland lebt, nun auch das neue Zugpferd werden. In die Schwärmerei stimmte auch Brewster ein: »Er ist ein fantastischer Kämpfer mit Kultur. Er war der technisch Beste, gegen den ich je geboxt habe.« Ob es tatsächlich zum Rückkampf kommt, ließ er offen. »Der wäre in Amerika möglich, so lange es sich finanziell lohnt.« Die diesmal gezahlten Börsen von etwa 1,5 Millionen Euro für Krasniqi und drei Millionen Euro für den Titelverteidiger müssten dann allerdings aufgestockt werden.
Die Prominenz am Ring zog den Hut vor der Leistung des Unterlegenen. »Er hat fantastisch verloren«, meinte Ex-Weltmeister Dariusz Michalczewski. »Mir hat's wahnsinnig gefallen«, gestand Fußball-Idol Uwe Seeler und wunderte sich, was Schwergewichtsboxer an Schlägen einstecken können. Der Geprügelte selbst, der eine leichte Gehirnerschütterung davontrug, hat sich nur eine kurze Ruhezeit verordnet: »Ich werde jetzt mit meiner Freundin wegfahren und hoffe, dass es dann sehr schnell zurück in den Ring geht.«

Artikel vom 30.09.2005