30.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

3. Oktober 1990

15 Jahre - wie eine Ewigkeit


Der 15. Jahrestag der Deutschen Einheit droht diesmal vollends aus dem Blick zu geraten. Am Tag nach der Dresden-Wahl gibt es politisch-kurzatmig vielleicht tatsächlich Wichtigeres zu bereden. Aber auch als Herbst-Ferien-Auftakt in NRW und anderen Bundesländern dürften viele Deutsche den 3. Oktober einfach nur als angenehme Freizeitgabe empfinden.
Auch ein Bürgerfest in Potsdam und schon gar nicht eine großartig als »Mauermahnmal« deklarierte Kleinstausstellung im abgelegensten aller Bundestagsgebäude machen die Sache nicht staatstragender. Die gängigen Umfragen nach dem Motto »Zahlen Sie gerne Soli?« oder gar die verbrämte Mauerfrage »Wollen Sie lieber zwei deutsche Staaten?« zeigen im Jahr 15 danach kaum Veränderung. Es gibt kein gewachsenes Interesse an dem, auf das jeder Deutsche auch stolz sein dürfte. Nationale Schwerenöter lassen sich weder fordern noch fördern.
Wirklich bedauernswert ist, dass im Gegensatz zu älteren Kapiteln deutscher Geschichte noch Millionen Zeitzeugen leben und Auskunft geben könnten. Aber niemand fragt nach, kaum jemand berichtet vom Ende einer freiheitsfeindlichen Zeit der Spitzel und Mauermörder, die inzwischen eine Ewigkeit zurückzuliegen scheint.
Einmal mehr legt sich in Deutschland über die allzu junge eigene Geschichte ein dumpfes unerklärliches, fast peinlich berührtes Schweigen. Reinhard Brockmann

Artikel vom 30.09.2005