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Berliner Bilder-Fest: Goya bis nachts um drei

Finanz-Bilanz vor der Schließung am 3. Oktober: Alte Nationalgalerie malt schwarze Zahlen

Von Klaus Lükewille
Berlin (WB). Noch flattert die Flagge über der Alten Nationalgalerie. Auf organgefarbenem Untergrund steht nur ein Name: Goya. Am 4. Oktober wird die Fahne eingezogen. Dann herrscht erst einmal wieder Ruhe vor dem Prachtbau der Berliner Museumsinsel.

Hier standen seit dem 3. Juli Kunst-Kenner und Neugierige, Touristen und Einheimische vor der Tür. Wartezeiten bis zu zwei Stunden waren normal. Es sollte sich lohnen. Denn schließlich hatten die Veranstalter, der Verein der Freunde der Nationalgalerie, ein ganz besonderes »Bilder-Fest« angekündigt. Goya in Berlin verkauften sie als »das europäische Kulturereignis 2005«.
Zehn Jahre dauerte die Vorbereitung. Dann konnten die Werke des spanischen Meisters Francisco de Goya (1746 - 1828) präsentiert werden, wie sie noch nie in Deutschland zu sehen waren: 80 Gemälde, 60 Zeichnungen und 30 Grafiken.
»Goya - Prophet der Moderne«, so lautet der Titel der Ausstellung. Und die Veranstalter mussten bei diesem einmaligen Angebot keine Propheten sein, um ein großes Publikums-Interesse vorherzusagen. Sicher, die sensationellen Rekord-Zahlen des heißen Berliner Bilder-Sommers 2004 konnten natürlich nicht annähernd erreicht werden. Das war allen schon vorher klar.
Denn damals, als das New Yorker Museum of Modern Art in der Neuen Nationalgalerie mit 200 Meisterwerken gastierte, lagen die Wartezeiten bei vier bis acht Stunden. 1,2 Millionen Interessenten besuchten »MoMa«. Große Resonanz und eine positive Finanz-Bilanz. Mit Goya werden die Berliner wieder schwarze Zahlen malen. Die Kalkulation lag bei 150 000 Besuchern. Schon 210 000 zahlten bisher Eintritt.
Allerdings: Ganz so ruhig und gelassen - wie einst im Sommer 2004 - waren einige Gäste nicht mehr. Draußen vor der Tür: Damals, bei »MoMa«, entwickelte sich eine »Kult-Geduld«. Jetzt, im Sommer 2005, dauerte es ihnen manchmal zu lange, das Warten in der Schlange. Doch inzwischen gehen die Uhren anders. Die Zeiten wurden verlängert. Am Freitag, Samstag und Sonntag kann Goya von morgens früh um acht bis spät in die Nacht um drei Uhr bestaunt werden.
Drei Werke, darunter die »Inquisitionsszene«, sind allerdings nicht mehr zu sehen. Die Leihgeber haben sie vorzeitig zurück gefordert. Der schwere Vorwurf: Die Bilder vertragen angeblich die Berliner Luft nicht.
Die Nationalgalerie sei zu hell, zu kalt und zu feucht. Nach genauer Überprüfung des Katalogs atmeten die Veranstalter vorerst erleichtert auf. Nachträgliche »Inquisitionsszenen« in Madrid wird es wohl nicht geben. Die Bilder, mit immerhin neun Millionen Euro versichert, sollen bereits schadhaft auf der Museumsinsel gelandet sein. In der spanischen Hauptstadt wurden trotzdem schon Konsequenzen angekündigt. Diese drei Werke werden nie mehr ins Ausland verliehen.

Artikel vom 01.10.2005