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»Mein Weg in den Tod ist die Hölle«

Qualvolle Tiertransporte stoppen - Engel der Tiere rufen zu Protesten am Welttierschutztag auf

Von Dietmar Kemper
Steinhagen (WB). »Als wir anfingen, lief das Blut aus den Lastwagen«, sagt York Ditfurth von »Animals' Angels« und blickt auf das Jahr 1998 zurück. Um gegen Tiertransporte zu protestieren und die Verstöße anzuprangern, schlossen sich damals die Gründerin Christa Blanke und ihre Mitstreiter in Freiburg zu einem gemeinnützigen Verein zusammen.
Die Straße ist Tatort unendlicher Tierquälerei. Todesursachen bei Tiertransporten sind Hitze und Kälte, Überladung, fehlende Ruhezeiten und mangelnde Versorgung mit Wasser und Futter.Ludger Beerbaum, mehrfacher Olympiasieger, unterstützt als Schirmherr die Tierengel.

Heute sorgen 2000 Fördermitglieder dafür, dass Animals' Angels acht feste Teams bezahlen kann, die ständig hinter Tiertransporten herfahren, Märkte, Häfen und Schlachthöfe beobachten und Anzeige erstatten. »Wir arbeiten mit Ministerien, Polizisten und Veterinären zusammen und sind in allen alten EU-Mitgliedsländern vertreten«, sagte Geschäftsführer Ditfurth dieser Zeitung. In Osteuropa ist die Organisation inzwischen in Polen, Slowenien sowie in Serbien und Montenegro aktiv. Bei ihren Kontrollen finden die Engel der Tiere »so gut wie keinen Markt und nur wenige Transporte, die korrekt abgewickelt werden«.
Der Verein spricht vom »Tatort Straße« und beklagt eine »unendliche Tierquälerei«. Hitze und Kälte, Überladung, fehlende Ruhezeiten und unzureichende Versorgung mit Wasser und Futter ließen Schweine, Rinder, Schafe, Pferde und Geflügel jämmerlich eingehen, bevor die Schlachthöfe erreicht werden. Die EU-Transportverordnung werde oft ignoriert, bedauert York Ditfurth und nennt ein Beispiel: »Je nach Tierart soll die erste Versorgung mit Futter und Wasser nach acht Stunden erfolgen, aber das geschieht vielfach nicht.«
Zwischen dem 19. Juli und 3. August kontrollierten Teams von Animals' Angels Transporte auf der Route von Spanien über Italien bis nach Griechenland. Das erschreckende Ergebnis: »Nicht ein einziger Transport war einwandfrei.« Weltweit werden jedes Jahr etwa 50 Milliarden so genannte »Nutztiere« nach offiziellen Angaben der UNO auf Lastwagen und Schiffe verladen. Meeresbewohner sind da nicht mitgerechnet. Auf zwei mehrere tausend Kilometer langen Hauptrouten ereilt die Tiere das traurige Schicksal: von Polen, Rumänien und Weißrussland zu den Großschlachtereien in Süditalien und, wie bereits erwähnt, von Spanien nach Griechenland.
Immer wieder landen aber auch argentinische und uruguayische Pferde für den europäischen Markt im italienischen Hafen La Spezia: mit stark geschwollenen Beinen, Bisstellen, Wunden und Verletzungen am Kopf wegen der zu geringen Höhe der Ladeluken. Um die Behörden zu sensibilisieren, schult Animals' Angels beispielsweise in Spanien und Deutschland Polizisten und hat eigens ein »Polizeihandbuch« entwickelt mit Tipps, worauf bei Kontrollen zu achten ist.
Wenn es um geschundene Pferde geht, tut Ludger Beerbaum aus Riesenbeck im Münsterland das Herz weh. Der mehrfache Olympiasieger im Springreiten ist Schirmherr von Animals' Angels und betont: »Mein Leben ist geprägt von einer Partnerschaft mit Tieren. Ohne sie wären die vielen Erfolge nicht möglich gewesen. Mit meiner Unterstützung für Animals' Angels möchte ich den Tieren etwas zurückgeben, als Dank und als Zeichen meiner Hochachtung.«
Zu den Förderern der Tierschutzorganisation gehört auch Dr. Ulrich Wechsler aus Steinhagen (Kreis Gütersloh), der beim Medienkonzern Bertelsmann als Vorstand Buchverlage tätig war. Weil es seiner Frau Eva ein Herzensanliegen war, gründeten die beiden vor drei Jahren die Stiftung »Pro Creatura«. Die Stiftung verfügt zur Zeit über etwas mehr als 300 000 Euro und unterstützt den Kampf der Tierengel gegen den »Tatort Straße«. Ulrich Wechsler (69) sagte dieser Zeitung: »Beim Tierschutz muss man mehr tun. Mir liegt daran, dass Animals' Angels noch mehr Akzeptanz und Verbreitung findet.« Leider starb Wechslers Frau vor wenigen Wochen; die Spenden der Trauergäste von mehreren 1000 Euro kommen der Tierschutzorganisation zugute.
Sie ist beileibe nicht die einzige, die sich des traurigen Themas annimmt. »Mein Weg in den Tod ist die Hölle. Stoppt qualvolle Tiertransporte«, lautet die Losung des Deutschen Tierschutzbundes für die bevorstehenden Welttierschutzwochen. Noch immer gebe es von der EU Subventionen für Schlachttiertransporte in Form von Geld, kritisiert der Tierschutzbund und ruft für den 4. Oktober, den Welttierschutztag, zu Protesten auf.
Auch das ZDF will aufrütteln: In der Reihe »37 Grad« strahlt der Mainzer Sender am 11. Oktober um 22.15 Uhr die Dokumentation von Manfred Karremann »Endstation Beirut. Tiertransporte: eine Bilanz« aus. Darin zeigt der Autor die unsäglichen Umstände, unter denen Rinder aus Europa zu Schlachthöfen im Libanon verschifft werden.
Da ist es gut zu wissen, dass der Kampf gegen Tiertransporte nicht umsonst ist. »Heute fließt kein Blut mehr aus den Lastwagen und in Deutschland ist die Situation relativ gut, aber es bleibt noch viel zu tun«, resümiert York Ditfurth von Animals' Angels.

Artikel vom 01.10.2005