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Glaubwürdige
Charaktere
und Top-Regie
Der Adventure-Thriller »Fahrenheit«
Die Regie erinnert an die Kultserie »24«: Rasante Kamerafahrten, unterschiedliche Schauplätze im Split-Screen, unerwartete Wechsel von der Totalen zum Close-Up auf bewegte (und bewegende) Gesichter.
Eine spannende Geschichte, die auch als Vorlage für einen Mystery-Thriller à la »Sieben« taugen würde. Dazu ein erfrischend neues Spielkonzept. Mit »Fahrenheit« hat Atari ein neues Genre geschaffen.
Worum geht es bei »Fahrenheit«? New York in naher Zukunft: Normale Bürger werden in Sekunden zu bestialischen Mördern. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Mannes, dessen Leben sich nach einem unfreiwillig begangenen Mord schlagartig ändert. Welches Geheimnis verbirgt sich hinter einer der bizarrsten Verbrechensserien, welche die Stadt je gesehen hat? Und der Spieler steckt mittendrin.
Lucas Kane weiß, dass er unschuldig ist. Und doch hat er in der Toilette eines Restaurants ein Messer in den Körper eines Menschen gestoßen. Er weiß aber auch, dass er nicht aus freiem Willen getötet hat...
Zu Beginn des Abenteuers steht der Spieler als Lucas Kane in eben dieser Toilette - in den Händen die blutige Klinge. Als es aber darum geht, die Mordwaffe verschwinden zu lassen, präsentiert das Spiel eine Zwischensequenz aus dem Gastraum. Wenn der Spieler dann nach Lucas' Flucht in Person der Polizei-Detektive Carla und Tyler die Szene betritt, weiß er nicht, wo die Waffe versteckt ist.
Ein Inventar gibt es nicht. Alles, was man benötigt, findet sich vor Ort. Oftmals sind aber Tastaturkombinationen erforderlich, was mit einem Gamepad deutlich leichter von der Hand geht. Oft fordert »Fahrenheit« auch die Reaktionsgeschwindigkeit des Spielers, der Kommandos unter großem Zeitdruck eintippen muss. Bei Verfolgungsjagden ist der dichte Stadtverkehr der beste Verbündete. Extraleben können der Schlüssel zum Erfolg sein. Die bekommt Lucas etwa, wenn er den Rosenkranz seines Bruders, des Priesters Marcus annimmt.
Doch die wirkliche Stärke des Spiels ist die Story, verknüpft mit einer überaus dichten Atmosphäre. Dazu trägt die stimmungsvolle Grafik bei: Licht fällt nur gedämpft durch Schnee und Nebel auf den dunklen Park. Spaziergänger zeichnen sich nur schemenhaft ab. Wenn Lucas sich mit seinem Bruder trifft, spiegelt sich das Entsetzen über die Ereignisse deutlich in dessen Gesicht wider. Motion Capturing haucht den Figuren virtuelles Leben ein, das die Natur gespenstisch realistisch kopiert.
Bei »Fahrenheit« erlebt der Spieler tatsächlich eine Art Revolution des Action-Adventures. Er reagiert nicht auf die Storyline, die Storyline reagiert auf den Spieler. Entwickler Quantic Dream präsentieren beispielsweise das neuartige Multi-View-System. Durch Kameraführung und nahtlos in das Spielgeschehen integrierte Schnitte wird die Handlung aus mehreren Perspektiven gleichzeitig erzählt, was ein in dieser Form noch nicht dagewesenes Spielelement einführt.
Wie viele interaktive Spielfilme ist »Fahrenheit« ein zwar intensives, doch eher kurzes Vergnügen. Unter dem Strich ist das Atari-Spiel für experimentierfreudige Gamer ein absolut empfehlenswerter Titel - allerdings kein Geheimtipp mehr. Denn »Fahrenheit« belegt bereits in allen gängigen Hitlisten die besten Plätze. Das Spiel kostet knapp 50 Euro. Thomas Lunk

Artikel vom 15.10.2005