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Ein Erbe ganz nach
Schmelings Geschmack

Luan Krasniqi will heute Lamon Brewster schlagen

Von Oliver Kreth
Hamburg (WB). Ein Erbe wird schon lange gesucht. Exakt seit dem 21. Juni 1932. Denn an jenem Tag verlor Max Schmeling seinen WM-Gürtel im Schwergewicht.

73 Jahre und einige Versuche deutscher Faustkämpfer (Karl Mildenberger, Axel Schulz, Willi Fischer) später steigt heute, an »Maxes« 100. Geburtstag, Luan Krasniqi in der Color-Line-Arena in den Ring, um das Erbe anzutreten. Obwohl dem gebürtigen Albaner, der seit seinem 16. Lebensjahr in Deutschland lebt, die ganze Hysterie und Vermarktung um dieses Ereignis langsam auf die Nerven geht. Luan (albanisch für Löwe) Krasniqi: »Ich will mich nicht mit Max Schmeling vergleichen lassen. Dieses konstruierte Pathos passt mir nicht«, sagt der 34-Jährige aus Rottweil, der in Hamburg dem US-Amerikaner Lamon Brewster den Weltmeistergürtel der World Boxing Organization (WBO) entreißen will. »Rein sportlich möchte ich natürlich den Weg gehen, den Max Schmeling gegangen ist und auch Weltmeister werden. Aber ich werde nie in die Fußstapfen von ihm treten. Diesem Anspruch kann ich nicht gerecht werden. Er ist der größte Sportler und Mensch, den Deutschland je hatte. Dieser Mann war 99 Jahre lang Weltmeister in jeder Beziehung. Er ist unerreicht.«
Der gelernte Kundenberater einer Bausparkasse kämpft aber nicht nur um Titel und unfreiwillig um das Schmeling-Erbe - er will endlich auch ein Image begraben. Seit Juli 2002, als er bei einem EM-Kampf gegen den Polen Przemyslaw Saleta nach der achten Runde klar in Führung liegend aber erschöpft aufgab, wird ihm ein psychisches Problem nachgesagt. Dagegen wehrt sich der Mann, der sieben Sprachen spricht und Abitur hat, heftig: »Ich war kurzfristig für den verletzten Vitali Klitschko eingesprungen und deshalb nicht richtig vorbereitet. Aufzugeben war vernünftig.«
Das sahen damals sein Trainer und sein Management anders. Torsten Schmitz löste Michael Timm als Coach ab, und von Promoter Klaus-Peter Kohl fühlt sich Krasniqi immer noch nicht ernst genommen. Es ist deshalb für den im Kosovo als sechstem von acht Kindern Geborenem wohl die Größte aber auch letzte Chance. »Davon habe ich immer geträumt. Meine Stärke waren immer meine Nerven. Mit meinen Siegen über Sinan Samil Sam und Lance Whitaker habe ich gezeigt, dass ich nervenstark bin.«
Auch die unabhängige Computer-Weltrangliste spricht für den Herausforderer. Krasniqi (28 Siege, 14 K.o., 1 Niederlage, 1 Unentschieden) rangiert auf Rang sieben, der Champion aus den USA (32 Siege, 2 Niederlagen, Weltmeister seit 10. April 2004) ist auf Platz elf positioniert.
Völlig unbeeindruckt lässt den 1,92-Meter-Mann, der sich auch für SOS-Kinderdörfer engagiert, das typische Box-Ballyhoo made in USA. Brewster, natürlich ein Ghetto-Kind, das sich nach oben kämpfen musste, trat zur obligatorischen Pressekonferenz, mit Sonnenbrille, Wollmütze und einem Bodyguard an, der noch furchteinflößender aussah, als der Hauptkämpfer. Für die starken Sprüche war allerdings sein Trainer Jesse Reid zuständig: »Lamon wird im Ring das Biest rauskehren.« Der verbale Konter aus Rottweil: »Das werde ich nicht tun. Ich will mich auf meine sportlichen Fähigkeiten konzentrieren.«
Sollte Krasniqis Auftritt auch im Ring so stark sein wie vor den zwölf Runden und er als zweiter Deutscher Champion der Champions werden, ist eins gewiss: Max Schmeling müsste sich für seinen Nachfolger nicht schämen. Und außerdem hat Krasniqi es »Max ja versprochen«.
Das ZDF überträgt den Kampf von 22.15 Uhr an.

Artikel vom 28.09.2005