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Im Klub der verrückten Kicker

Champions League: Schalke vergibt den Sieg und gewinnt viel Respekt

Von Hans Peter Tipp
Gelsenkirchen (WB). Christian Poulsen war baff. Unmittelbar nach dem 2:2 (1:1) des FC Schalke 04 gegen den AC Mailand am Mittwoch in der Champions League kam Gennaro Gattuso direkt auf ihn zu. Und der Blick des italienischen Nationalspielers verhieß nach einem - in Poulsens Nähe hitzigen Spiel -Ênur wenig Gutes.

Ralf Rangnick wollte sogar etwas Angst in den Augen seines Spielers entdeckt haben: »Er dachte, der Gattuso wolle ihm etwas tun«, berichtete der Schalke-Trainer. Doch da hatte sich der Däne - natürlich -Êvöllig vertan: »Kompliment, du bist ein Verrückter«, sagte der Italiener und streckte dem verdutzten Schalker Kollegen die Hand entgegen.
Auch eine Stunde später wusste Poulsen noch nicht, was er davon halten sollte. Für seinen Trainer hingegen war alles klar: »Da hat ein Verrückter dem anderen gratuliert«, sagte Rangnick: »Ich fand das ein schönes Kompliment an Christian, stellvertretend für die gesamte Mannschaft.«
Die hatte im zweiten Spiel der Königsklasse zwar nicht den Sieg gegen die »Weltauswahl« um Paolo Maldini, Kaká oder Andrej Schewtschenko geholt, aber den Spaß und die Freude am Fußball und die Zuversicht auf baldige Erfolge wiedergewonnen.
Das Unentschieden gegen den sechsfachen europäischen Champion hielt aber zumindest das Rennen um den zweiten Gruppenplatz offen. Manager Rudi Assauer rechnete schon mal durch, wie der Sprung ins Achtelfinale noch gelingen könnte: »Wir müssen in Istanbul einen Punkt holen und die Heimspiele gegen Fenerbahce und Eindhoven gewinnen.«
Doch trotz der besten Saisonleistung, bei der die »Königsblauen« die Führung von Clarence Seedorf (1.) und Schewtschenko (59.) durch Sören Larsen (3.) und den eingewechselten Hamit Altintop (70.) zwei Mal ausgleichen und dem Sieg näher als die Gäste waren, wurde die grundsätzliche (finanzielle) Überlegenheit der Gäste anerkannt. »Man darf die Dinge nicht verdrehen. Da stehen 130 Millionen Euro auf dem Platz, bei uns sind es nur 40«, meinte Torwart Frank Rost, der bei Seedorfs Blitztor nach exakt 21 Sekunden nicht gut aussah.
Stellvertretend für die 90-minütige höchst kurzweilige Auseinandersetzung zwischen Künstlern und Kämpfern war das direkte Duell von Kaká, dem technisch unverschämt versierten Jungstar, mit Poulsen, dem unverdrossen ackernden Dänen. Beide schenkten sich nichts, ob der Ball in der Nähe war oder nicht.
Für die »Rossoneri« wurde Poulsen damit zum roten Tuch. Milan-Trainer Carlo Ancelotti nahm anschließend kein Blatt vor den Mund: »Poulsen ist ein unfairer Spieler, er schubst und spuckt und provoziert den Gegner, wenn der Schiedsrichter nicht hinschaut«, sagte der 46-Jährige und erntete beim Schalker völliges Unverständnis: »Das passt überhaupt nicht zu mir. Ich habe gar nicht gespuckt - nur auf den Boden.« Poulsens betrachte seine Arbeit aus Profisicht: »Kaká ist ein Supertechniker. Ich habe versucht, mit meinen Mitteln dagegen zu halten: Ich habe gekämpft.«
Doch Poulsens Hauptrolle hatte eine Vorgeschichte: Der Däne und die Italiener - da spu(c)kte allen Beteiligten doch noch irgendwas im Hinterkopf herum? Es war bei der Euro 2002, als Francesco Totti nach einer Spuckattacke gesperrt wurde. Leidtragender war damals - wenig überraschend - der jetzige Schalker Poulsen.
Diesen Fall von richtig schlechtem Benehmen wollte Ancelotti nach dem Champions LeagueAbend in ganz anderem Licht betrachtet wissen. »Ist Totti jetzt rehabilitiert?«, wurde er ernsthaft gefragt. Und der Signore antwortete wie ein schlechter Verlierer: »Ja.« Dabei hätte er mit dem schmeichelhaften 2:2 wahrlich glücklich sein können. Poulsen aber wollte nicht mehr nachtreten: »Was auf dem Platz passiert, ist anschließend vergessen.« Wenn er da nur nicht irrt.

Artikel vom 30.09.2005