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EU kritisiert Eichels Etat

Deutschlands Neuverschuldung 2005 liegt bei vier Prozent

Brüssel/Berlin (dpa/Reuters). Die Neuverschuldung in Deutschland wird nach Angaben der Europäischen Statitistikbehörde Eurostat bis zu vier Prozent des Bruttosozialprodukts betragen und damit höher liegen als von der rot-grünen Regierung angenommen.
Hans Eichels Forderungsverkauf mindert das deutsche Defizit nicht.

Defizitsünder Deutschland muss sich angesichts der Schuldenkrise darauf gefasst machen, dass die EU-Kommission im November eine Verschärfung des ruhenden Defizit-Strafverfahrens gegen Deutschland vorschlagen wird. Dagegen beharrt die Bundesregierung auf ihrer bisherigen Vorhersage von 3,7 Prozent für das laufende Jahr.
Die Europäische Statistikbehörde Eurostat nimmt es nicht hin, dass Berlin mit dem Verkauf von Forderungen in Höhe von acht Milliarden Euro gegenüber der Telekom und der Post sein Defizit 2005 drückt.
EU-Währungskommissar Joaquín Almunia will den Angaben seiner Sprecherin zufolge erst nach Vorlage seiner Herbst-Konjunkturprognose darüber entscheiden, wie es im deutschen Defizit-Strafverfahren genau weitergehen soll. Laut inoffiziellen Angaben ist der Spanier entschlossen, dass seit knapp zwei Jahren ruhende Defizitverfahren gegen Berlin zu verschärfen und damit in die Richtung von Sanktionen gegen Berlin zu treiben. In dem Verfahren drohen Deutschland weiter Bußen von bis zu zehn Milliarden Euro.
Deutschland verletzt seit 2002 mit Defiziten von mehr als drei Prozent den Euro-Stabilitätspakt.
Bundesfinanzstaatssekretär Caio Koch-Weser hatte vor zwei Wochen in Manchester eingeräumt, dass es zwischen Eurostat und dem Statistischen Bundesamt »fachliche Differenzen« über die Bewertung der Einmalmaßnahmen gibt. Falls Eurostat die Schritte nicht als defizitmindernd anerkenne, könne das deutsche Defizit im laufenden Jahr auf 3,9 Prozent oder etwas höher steigen, hatte er gesagt.
Es drohe eine Neuauflage des Defizit-Streits von vor zwei Jahren, erklärten Brüsseler Finanzexperten. Damals wollte die EU-Kommission schon einmal das deutsche Defizitverfahren in Richtung von Sanktionen vorantreiben. Berlin lehnte jedoch Zwangsauflagen zur Defizitminderung ab. Deutschland und Frankreich erreichten im EU-Finanzministerrat eine Aussetzung ihrer Verfahren.
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jürgen Koppelin, sprach von einer »schallenden Ohrfeige« für Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). »Mit dieser Vorgehensweise von Eurostat wird Hans Eichels Haushaltspolitik einmal mehr als das entlarvt, was sie ist: eine unseriöse Haushaltspolitik zu Lasten kommender Generationen«, sagte Koppelin. Bereits bei den Beratungen zum Haushalt 2005 habe die FDP-Bundestagsfraktion darauf hingewiesen, dass die EU den Forderungsverkauf des Bundes nicht als defizitmindernden Maßnahme akzeptieren werde.
2004 war Griechenland größter Defizitsünder des Euro-Gebiets mit einer Neuverschuldung von 6,6 Prozent. Es folgten Deutschland mit 3,7 Prozent, Frankreich mit 3,6 und Italien mit 3,2 Prozent.

Artikel vom 27.09.2005