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Wolfgang Bernhard

»Das ist ein erster Schritt auf einem ganz langen Weg, den wir noch vor uns haben.«

Leitartikel
Einigung in Wolfsburg

Gutes Signal
für Standort
Deutschland


Von Wolfgang Schäffer
Die Zeichen aus Wolfsburg haben Signalwirkung: Auch am Standort Deutschland lässt sich wettbewerbsfähig produzieren. Um das zu erreichen, sind allerdings Zugeständnisse auf Seiten der Arbeitnehmer notwendig. Nur wenn die Beschäftigten bereit sind, auf Geld zu verzichten oder bei gleicher Bezahlung mehr zu arbeiten, ist dem Druck der Billiglohnländer standzuhalten.
Gerade in der Autoindustrie gibt es bereits Beispiele dafür, dass Produktionskapazitäten nicht unbedingt ins Ausland verlagert werden müssen, um auch im globalen Spiel ein führende Rolle einnehmen zu können. BMW, Porsche und auch Audi zeigen mit ihren Verkaufs-, Umsatz- und Erlöserfolgen, dass »Made in Germany« sehr wohl lukrativ sein kann.
Im Vergleich zur Marke VW aber lagen die Produktionskosten pro Fahrzeug in den genannten Unternehmen schon seit Jahren deutlich niedriger. Grund dafür war und ist der VW-Haustarif, der um etwa 20 Prozent über dem Flächentarif der Metallindustrie liegt. »Würden wir unter VW-Bedingungen produzieren, müssten die Preise für unsere Autos drastisch steigen«, kommentierte noch vor wenigen Wochen ein BMW-Manager die Wolfsburger Regelung.
Und auch Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat in Zuffenhausen keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass nur mit schlanker und kostengünstiger Produktion Geld zu verdienen ist. Die Arbeitnehmervertreter haben nach zähem Ringen zähneknirschend zuvor in langen Verhandlungsrunden erobertes Terrain wieder preisgegeben. Wohlwissend, dass nur so der Großteil der Belegschaft weiterhin und vor allem auf lange Sicht in Lohn und Brot gehalten werden kann.
Ähnlich jetzt die Situation in Wolfsburg. Die Tarifabschlüsse aus guten Zeiten sind so nicht mehr haltbar. Die Konkurrenz aus Fernost, aber auch dem europäischen Ausland wie Portugal, Tschechien oder Ungarn kann preiswerter produzieren - und das in den meisten Fällen in gleicher Qualität.
Um die heimischen Arbeitsplätze zu sichern, müssen sich Unternehmen und Beschäftigte aufeinanderzubewegen. Der Wolfsburger Kompromiss zeigt, wie es gehen kann. Die gegenüber dem Haustarif niedrigeren Löhne und anderen Arbeitszeiten des Modells »5000 mal 5000« (etwa 2556 Euro Monatsverdienst) sorgen dafür, dass der neue Geländewagen nicht in Portugal, sondern im niedersächsischen Stammwerk gebaut wird. 1000 Auszubildende dürfen sich deshalb auf feste Arbeitsplätze freuen. Zudem soll auch das Passat Coupé von 2008 an in Emden gebaut werden. Auch das sichert Arbeitsplätze.
Sicher ist jedoch auch: Das Wolfsburger Verhandlungsergebnis wird Auswirkungen haben. Autozulieferer, aber auch Unternehmen anderer Branchen werden jetzt mit Verweis auf VW reagieren. Mehrarbeit ohne Lohnausgleich = Arbeitsplatzerhalt lautet die Rechnung. Und die wird vermutlich auf absehbare Zeit Bestand haben.

Artikel vom 28.09.2005